„Ein artfremdes Richtbild“?
Antisemitismus in Erziehung und Schule im Dritten Reich
Sonderausstellung im Lohrer Schulmuseum vom 9. 1. bis 17. 3. 2013
Nach der Sonderausstellung „Das hässliche Treiben der Antisemiten“ in der Kaiserzeit (1871 – 1918)
informiert das Lohrer Schulmuseum nun in einer zweiten Sonderausstellung seine Besucher über
den „Antisemitismus in Erziehung und Schule im Dritten Reich (1933 - 1945)“.


(Wichtiger Hinweis: Die Fotos zeigen originale Bilder, Dokumente usw. aus der Zeit von 1933 bis 1945.
Alle Fotos dienen ausschließlich der staatsbürgerlichen Aufklärung und nicht einem
propagandistischen Zweck im Sinne des § 86 und 86a StGB.)


Titelseite einer Ausgabe im Jahr 1935 der Lohrer Zeitung (Teilansicht) mit der Überschrift: „Die Juden bei uns ein für allemal ausgeschaltet?“
Titelseite einer Ausgabe im Jahr 1935 der Lohrer Zeitung (Teilansicht) mit der Überschrift: „Die Juden bei uns ein für allemal ausgeschaltet?“
Glücklicherweise hat die Geschichte einen anderen Verlauf genommen.


Schon bald nach der Machtergreifung begannen die Nazis mit der Ausgrenzung jüdischer Lehrer und Schüler.
Am 16 März 1934 erfolgte eine Bekanntmachung des bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus die „Beschränkung des Zuganges nichtarischer Schüler“ betreffend, in der es hieß: „Nach dem Gesetz gegen die Überfüllung deutscher Schulen und Hochschulen vom 25. April v. Js. (1933) und der 1. Durchführungsverordnung hierzu vom gleichen Tage dürfen in allen öffentlichen und privaten Schulen mit Ausnahme der Pflichtschulen nichtarische reichsdeutsche Schüler nur mehr in beschränkter Zahl neu aufgenommen werden, nämlich nur mehr so viele, daß die Zahl der nichtarischen reichsdeutschen Schüler 1,5 % der Gesamtzahl der Besucher der Schule nicht übersteigt.“
„Der Giftpilz – Ein Stürmerbuch für Jung und Alt - Erzählungen von Ernst Hiemer, Bilder von Fips“, Verlag Der Stürmer, Nürnberg, 1938
„Der Giftpilz – Ein Stürmerbuch für Jung und Alt - Erzählungen von Ernst Hiemer, Bilder von Fips“,
Verlag Der Stürmer, Nürnberg, 1938  Es war eines der schlimmsten Hetzbücher gegen das Judentum,
 entsprach in Wort und Bild allen üblichen und üblen Klichees der Antisemiten und sollte vor allem
von den Zehn- bis Zwölfjährigen gelesen werden.


Über die Schulämter wurden die Volksschulen im September 1935 informiert, dass von allen Schulleitern „Feststellungen über die Rassenzugehörigkeit der reichsdeutschen Kinder an den Volks- und Berufsschulen nach dem anliegenden Muster“ zu treffen seien. Von nun an mussten die Erziehungsberechtigten eine Erklärung über die arische Abstammung ihres Kindes abgeben. Entsprechende Nachweise der arischen Abstammung hatten auch die Lehrkräfte zu erbringen.
Ein Jahr später wurde der lehrplanmäßige jüdische Religionsunterricht an den bayerischen Schulen  verboten.
Nach den Novemberpogromen 1938 durften jüdische Schüler die deutschen („nichtjüdischen“) Schulen nicht mehr besuchen. Ab dem 8. Dez. 1938 wurde den Juden auch der Besuch der Universitäten untersagt, 1942 die noch bestehenden jüdischen Schulen geschlossen. usw.
„Verjudung Berlins 1932:
„Verjudung Berlins 1932: Der Jude macht nur ein Prozent der Gesamtbevölkerung Deutschlands aus – und beherrschte in der Systemzeit
(Weimarer Republik 1919 – 1933) trotzdem fast alle führenden Stellen!“
Bildtafel und der jeweilige Text dazu (für den Unterricht an den Schulen) aus der Mappe „Erblehre, Abstammungs- und Rassenkunde in bildlicher Darstellung“
von Alfred Vogel, Verlag für nationale Literatur Gebr. Rath, Stuttgart, um 1939.


Die rassistisch-antijüdische Grundeinstellung prägte natürlich das gesamte Schulwesen.
„Nationalsozialismus ist politisch angewandte Biologie“ heißt es im Vorwort zum Fach Lebenskunde im Lehrplan für die Volksschule 1943. Was man damals darunter u.a. verstand, wird am Beispiel „Rassenkunde“ in den NS-Schülerbüchern deutlich, so im Schülerbuch „Erdkundliches Arbeitsbuch Die Großräume der Erde“ für das 7. - 8. Schuljahr der Volksschule aus dem Jahr 1944: „Staatsbürger kann nur sein, wer Volksgenosse ist. Volksgenosse kann nur sein, wer deutschen Blutes ist, ohne Rücksichtnahme auf Konfession. Kein Jude kann daher Volksgenosse sein.“
Das „Rechenbuch für Volksschulen Württemberg Heft 8“ aus dem Jahr 1943 stellte den Schülern unter dem Stichwort „Verjudung Deutschlands“ auch die Aufgabe: „Man schätzt die Bevölkerung der Erde auf 2000 Mill., die Zahl der Arier auf rd. 600 Mill., die der Juden auf 15 Mill. Bestimme die Anteile in %!
In besonders aggressiver Weise attackierte Alfred Vogel in seiner Mappe „Erblehre, Abstammungs- und Rassenkunde in bildlicher Darstellung“ für die Schulen (Verlag für nationale Literatur Gebr. Rath, Stuttgart, um 1939) alle Bereiche des jüdischen Lebens bis hin zur Kunst.
„Blatt 72 - Der Jude verfälscht die deutsche Kunst:
„Blatt 72 - Der Jude verfälscht die deutsche Kunst:
In der Zersetzungsarbeit zur Abtötung des deutschen Wesens benützte der Jude als besonders geeignetes Betätigungsfeld die Kunst. Hier schuf er ein artfremdes Richtbild. An Stelle des Edlen wurde der niedrige Trieb gesetzt. Jüdische Kunstkritiker, Leiter der Museen, gesinnungslose Parlamentarier, Minister, Oberbürgermeister und die Gesellschaft des Salons sorgten dafür, daß das jüdische, artfremde Richtbild unser Volk nicht empor, sondern dem Abgrund zuführte. Zeige an dem Bild die Beschmutzung und die Zersetzung des Wehrbewußtseins!“

Beispiel: Text zu Blatt 72 - Der Jude verfälscht die deutsche Kunst:
„In der Zersetzungsarbeit zur Abtötung des deutschen Wesens benützte der Jude als besonders geeignetes Betätigungsfeld die Kunst. Hier schuf er ein artfremdes Richtbild. An Stelle des Edlen wurde der niedrige Trieb gesetzt. Jüdische Kunstkritiker, Leiter der Museen, gesinnungslose Parlamentarier, Minister, Oberbürgermeister und die Gesellschaft des Salons sorgten, daß das jüdische, artfremde Richtbild unser Volk nicht empor, sondern dem Abgrund zuführte. Zeige an dem Bild die Beschmutzung und die Zersetzung des Wehrbewußtseins!“
Doppel-Seite mit deutscher Druckschrift (Schwabacher  Fraktur) aus dem „Leserlein, Erstes Lesebuch für die Volksschulen Nordbayerns“, Verlag der Friedr. Korn'schen Buchhandlung, Nürnberg, um 1938.
Doppel-Seite mit deutscher Druckschrift (Schwabacher  Fraktur) aus dem „Leserlein, Erstes Lesebuch für die Volksschulen Nordbayerns“, Verlag der Friedr. Korn'schen Buchhandlung, Nürnberg, um 1938. Anmerkung: „In Deutschland gibt es seit der Erfindung der Buchdruckerkunst zwei Schriften: die deutsche Schrift (Schwabacher, Fraktur) und die lateinische Schrift (Antiqua), wobei von 1540 an die Fraktur die vorwiegende deutsche Druckschrift war. Dieser Zustand änderte sich erst, als der Nationalsozialismus durch Geheimerlaß die Antiqua als Normalschrift für Deutschland erklärte. Dazu kamen nach 1945 Anordnungen der Besatzungsmächte, die die Genehmigung von Druckschriften von der Verwendung der Antiqua abhängig machten.“
 (Aus: Die Deutsche Schrift, Zeitschrift des Bundes für Deutsche Schrift, Nr. 17, August 1959).


Bemerkenswert ist in der Ausstellung auch das Schulwandbild „Das sogenannte Sowjetparadies“, herausgegeben 1943, und der entsprechende Begleittext für die Lehrer, in dem u.a. steht:
„Alle Dörfer in der Sowjetunion bieten sich dem Betrachter dar, wie unser Schaubild es zeigt: unsagbare Verkommenheit, Not und Elend sind an die Stelle von bäuerlichem Eigenbesitz, Wohlstand und gesundem Brauchtum getreten. Alles ist eingeebnet und auf einen Sklavenzustand heruntergedrückt worden, der beispiellos in der Geschichte der Völker ist.
Als das Judentum durch die bolschewistische Revolution im ehemals zaristischen Rußland an die Macht kam, sah es sich vor die Aufgabe gestellt, das Riesenreich unter der Diktatur einer Minderheit, die das Judentum in der Sowjetunion darstellt, zu zwingen.
Doppel-Seite mit lateinischer Druckschrift (Antiqua) aus der „Brückl-Fibel für den 1. Schuljahrgang“ Verlag R. Oldenbourg, München, 1942.
Doppel-Seite mit lateinischer Druckschrift (Antiqua) aus der „Brückl-Fibel für den 1. Schuljahrgang“ Verlag R. Oldenbourg, München, 1942.

Dieses Ziel konnte nur auf zwei Wegen erreicht werden: erstens durch die Ausrottung aller völkisch und rassisch gesunden Kräfte und die darauf folgende künstliche Zergliederung und Aufspaltung der restlichen Bevölkerung in einander bekämpfende Schichten und Gruppen: zweitens aber bedeutete die schon im Jahre 1934 zu 96 v. H. erreichte 'Verstaatlichung' aller Produktionsmittel die schutzlose Auslieferung der gesamten Sowjetbevölkerung an den Arbeitgeber Staat, das heißt einen Klassenkapitalismus, dessen Nutznießer ausschließlich die jüdischen Bonzen und ihre nichtjüdischen Strohmänner sind.
Die Liquidierung aller Teile der Bevölkerung, die vielleicht einmal dem Bolschewismus hätten gefährlich werden, die Enteignung jedes Besitzes und die Zwangsarbeit sind die Mittel, mit denen das Judentum in der Sowjetunion herrscht, nachdem auch der letzte Rest einer organisch gewachsenen Bevölkerungsschichtung beseitigt worden und alles in einem bolschewistischen Einheitsbrei versunken ist, der jede menschliche Höherentwicklung ausschließt.“
(Textauszüge aus dem Begleitheft 1/2 zum Schulwandbild „Das sogenannte Sowjetparadies“, Schulwandbild aus dem Verlag Der praktische Schulmann Nr. 309, 1943.
Aus den Aufsatzheften für Volksschüler im Dritten Reich:
Aus den Aufsatzheften für Volksschüler im Dritten Reich:
Links: Heftseite in deutscher Schreibschrift aus dem Jahr 1938 (Aufsatzthema „Österreich kehrt heim.“)
Rechts: Heftseite in lateinischer Schreibschrift (ab 1941 „Normalschrift“) aus dem Jahr 1943
(Aufsatzthema: „Panzer stoßen vor.“)

Selbst das Fach Musik hatte der NS-Rassenideologie zu dienen. So heißt es im „Schulliederbuch der deutschen Jugend, Ausgabe 1940, im Lied „Brüder in Zechen und Gruben“, 2. Strophe: „Hitler ist unser Führer, ihn lohnt nicht goldner Sold, der von den jüdischen Thronen vor seine Füße rollt.“
Antisemitismus und Rassismus waren an den Schulen des Dritten Reichs wesentlicher Bestandteil und Unterrichtsprinzip des gesamten Schullebens.
Schulwandbild „Das sogenannte Sowjetparadies“aus dem Verlag Der praktische Schulmann Nr. 309, 1943 - Das kommunistische Rußland unter der Diktatur der Juden?
Schulwandbild „Das sogenannte Sowjetparadies“aus dem Verlag Der praktische Schulmann Nr. 309, 1943 - Das kommunistische Rußland unter der Diktatur der Juden?  (Foto Udo Kleinfelder, Lohr a.Main)

Dass dieser Antisemitismus sich auch auf den außerschulischen Bereich erstreckte, lässt sich vor allem mit der Freizeitlektüre belegen – in der Ausstellung am Beispiel „Der Giftpilz – Ein Stürmerbuch für Jung und Alt - Erzählungen von Ernst Hiemer, Bilder von Fips“, Verlag Der Stürmer, Nürnberg, 1938. Es war eines der schlimmsten Hetzbücher gegen das Judentum, entsprach in Wort und Bild allen üblichen und üblen Klichees der Antisemiten.und sollte vor allem von den Zehn- bis Zwölfjährigen gelesen werden.

Mit sechs Themenkreisen ermöglicht die Ausstellung im Eingangsbereich des Museums informative Einblicke in den „Antisemitismus in Erziehung und Schule von 1933 bis 1945“. Weitere Aussagen zu diesem Thema finden sich in der ständigen Ausstellung des Schulmuseums mit den Schwerpunkten Kaiserzeit und Drittes Reich.

Anmerkung: In dem Geschichtsbuch „GESCHICHTE FÜR JEDERMANN in Karte, Wort und Zahl – SCHULAUSGABE“ aus dem Jahr 1953 und  an den Lohrer Schulen in Gebrauch, wird unter der Überschrift „Deutschland im Zeichen der Niederlage und Selbstbestimmung (1945-1953)“ daran erinnert, dass „alle Gebiete östlich der Oder und Görlitzer Neiße an eine polnische bzw. sowjetische Verwaltung übergeben und entgegen allem Völker- und Menschenrechte etwa 6,5 Millionen Deutsche mitleidlos von Haus und Hof vertrieben“ worden seien. „Dadurch wurden Schlesien, Pommern und Ostpreußen völlig von ihren deutschstämmigen Bewohnern entvölkert, dasselbe geschah in den osteuropäischen Staaten (Tschechei, Ungarn, Rumänien), so daß die Gesamtzahl aller Vertriebenen auf 11,5 Millionen wuchs.“
Mit keiner Zeile und an keiner Stelle wird aber in dem Geschichtsbuch an die millionenfachen Verbrechen an den Juden und anderen Volksgruppen erinnert.
(Texte: Eduard Stenger)

Nachstehend ein zusätzlicher Beitrag zum Verbot der deutschen Schrift („Schwabacher Judenlettern“), ein Thema der Sonderausstellung „Antisemitismus in Erziehung und Schule im Dritten Reich“

Das Ende der Fraktur im Dritten Reich

Wie jedem bekannt ist, war die Feindschaft der Nationalsozialisten gegen die Juden ein wichtiger Teil der gesamten NS-Ideologie. Die brutalen NS-Attacken richteten sich gegen die Deutschen jüdischer Konfession, die jüdischen Einrichtungen und das, was von der jüdischen Tradition in den Jahrhunderten der Assimilierung übrig geblieben war. In dem Wahn, das Deutsche Reich biologisch wie geistig von allen nicht arischen Einflüssen säubern zu müssen, gingen die Nationalsozialisten aber noch weiter und verboten alles, was auch nur den Anschein der Beziehung zum "Jüdischen" hatte.
So fiel dieser Paranoia durch den Erlass vom 3. Januar 1941 auch die "deutsche Schrift" zum Opfer. Gerade in diesem "Frakturverbot" (Fraktur = gotische Druckschrift) offenbaren sich deutlich die Inkonsequenz und die Ignoranz des NS-Regimes.
"Die sogenannte gotische Schrift als eine deutsche Schrift anzusehen oder zu bezeichnen ist falsch. In Wirklichkeit besteht die gotische Schrift aus Schwabacher Judenlettern. Genau wie sie sich später in den Besitz der Zeitungen setzten, setzten sich die in Deutschland ansässigen Juden bei Einführung des Buchdrucks in den Besitz der Buchdruckereien und dadurch kam es in Deutschland zu der starken Einführung der Schwabacher Judenlettern. Am heutigen Tage hat der Führer entschieden, dass die Antiqua-Schrift (lateinisches Alphabet) künftig als Normal-Schrift zu bezeichnen sei. Nach und nach sollen sämtliche Druckerzeugnisse auf diese Normal-Schrift umgestellt werden. Sobald dies schulbuchmässig möglich ist, wird in den Dorf- und Volksschulen nur mehr die Normal-Schrift gelehrt werden", so der Wortlaut des Erlasses.
Nur wenige Jahre vorher hatte sich der nationalsozialistische Innenminister Frick noch ganz anders zur deutschen Schrift geäußert: "Zu den edelsten Werten gehört unsere Muttersprache. Dabei sei zugleich auch der deutschen Schrift gedacht, die ihren unbedingten Vorrang vor der lateinischen niemals verlieren darf." Es war wirklich seltsam, dass eben diese Nationalsozialisten, die plötzlich aus der deutschen Schrift eine "jüdische" machen wollten, sich 20 Jahre hindurch dieser "Schwabacher Judenlettern" bedenkenlos bedient hatten. Das grundlegende Werk des Nationalsozialismus, Hitlers "Mein Kampf", war von der ersten Ausgabe an bis zur Ausgabe 1939 in Fraktur gedruckt, ebenso die meisten anderen Bücher, Zeitungen, Zeit- und Werbeschriften der NSDAP. Ironischerweise war sogar der Erlass des Frakturverbots auf einen Briefbogen getippt, dessen Kopf größtenteils in gotischer Schrift gedruckt war. Prägnanter konnte sich der Widerspruch nicht darstellen.
Neben dieser Inkonsequenz muss man die Frage aufwerfen, was es eigentlich mit der angeblichen jüdischen Herkunft der Schwabacher Lettern auf sich hatte.
Hier lag die Aussage des Erlasses völlig falsch. Die gotische Schrift entstand nicht aus der Schwabacher, sondern umgekehrt entwickelte sich die Schwabacher aus der gotischen Schrift. Dabei bestehen zwischen beiden Schriftarten in ihren Ausprägungen so beträchtliche Gestaltungsunterschiede, dass an eine Gleichsetzung nicht zu denken ist. Die Grundlage der gotischen, also deutschen Druckschrift - der Fraktur - ist aber eine im Auftrag Kaiser Maximilians I. geschaffene Type, die dank seiner Förderung die meistverbreitete Druckschrift in Deutschland wurde. Selbst wenn man also von der Schwabacher Schrift als einer "jüdischen" Entwicklung ausgeht, hatte dies für die Fraktur keine Bedeutung.
Die Schwabacher Lettern sind das Ergebnis einer vieljährigen Entwicklung und gehen auf Gutenbergs Mitarbeiter Schäffer zurück. Juden hatten zur Zeit der Entstehung der Schwabacher Schrift auf Grund strenger Zunftgesetze gar keinen Zutritt zum Druckereihandwerk, so wie sie ja generell von jedem zünftigen Handwerk ausgeschlossen waren. An den Erwerb einer Druckerei und den damit verbundenen Grunderwerb war schon gar nicht zu denken. Es ist also völlig unmöglich, dass sich Juden "in den Besitz der Buchdruckereien" brachten, wie der Erlass es formulierte. Wie hätte unter diesen Voraussetzungen eine von Juden entwickelte Schrift eine derartige Verbreitung finden sollen?
Abgesehen von dieser Fülle an Widersprüchen und Unwahrheiten muss jedoch bemerkt werden, dass nur wenigen Verordnungen der Nationalsozialisten ein so durchschlagender Erfolg beschieden war wie dem Frakturverbot. Seit diesem Erlass vom 3. Januar 1941 wird in Deutschland bis heute, wenn auch jetzt aus praktischen Gründen und dem Gedanken der Internationalisierung, den Schulkindern das Lesen anhand der lateinischen Druckschrift beigebracht. Man ist sogar noch weiter gegangen, und hat auch die Schreibschrift auf die lateinische Ausgangsschrift umgestellt, auch wenn sich die in den Schulen seit einigen Jahren angewandte vereinfachte Ausgangsschrift darum bemüht, wieder deutsche Elemente einzuführen. Praktisch alle Druckerzeugnisse, Straßenschilder etc. bedienen sich der verschiedenen Formen der lateinischen Schrift. Als Überbleibsel des Dritten Reiches sollte man dies jedoch nicht ansehen, da die ideologische Grundlage völlig weggefallen ist.
(Text: Bert Stenger, Zum Sommerhof 20, 97816 Lohr a.Main)

Das Lohrer Schulmuseum im Ortsteil Lohr-Sendelbach ist von Mittwoch bis Sonntag und an allen gesetzlichen Feiertagen jeweils von 14 bis 16 Uhr geöffnet. Gruppen können auch nach vorheriger Absprache außerhalb der regulären Öffnungszeiten das Museum besuchen. (Kontakt: Eduard Stenger, Zum Sommerhof 20, 97816 Lohr a.Main; Tel. 09352/4960 oder 09359/317, e-Mail: eduard.stenger@gmx.net )

Ernst Huber
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