Der Mensch: Körper, Geist, Seele
Sonderausstellung Fischerhaus am Lohrer Kirchplatz
vom 13. April bis 4. Mai 2014


„Was ist der Mensch, dass du an ihn denkst?“, so fragt der Psalm 8.
Für Kant  gehört die Frage „Was ist der Mensch?“ zu den vier großen Grundfragen der Philosophie. Ja sie fasst die drei vorausgehenden Fragen der Metaphysik, der Moral und der Religion zusammen: „Was kann ich wissen?“, „Was soll ich tun?“, „Was darf ich hoffen?“. Kant beschreibt den Menschen als das „Wesen der Mitte“, d.h. er war nicht schon am Anfang des Kosmos und er wird auch nicht am Ende sein, er existiert auf einem Planeten, der um eine Sonne kreist, und er hat zwar Macht und Kontrolle über einen Teil seiner Umwelt, in keinem Fall aber über das All. Er ist nicht göttlich oder übermächtig. Im Umfeld des sog. Kategorischen Imperativs kommt es immer wieder zu dem Axiom „Menschsein heißt handeln müssen.“

Der Lebenslauf des Mannes; Darstellung um 1910
Der Lebenslauf des Mannes; Darstellung um 1910


Die Frage „Was ist der Mensch?“, ist nicht nur für die Philosophie die zentrale Herausforderung, sondern auch für Naturwissenschaften, Medizin, Kunst und nicht zuletzt für die Religion.
Michelangelo, der geniale Künstler, Schöpfer der einzigartigen Fresken in der Sixtinischen Kapelle und Baumeister der Kuppel der Petersbasilika in Rom, fühlte sich zeitlebens zum Bildhauer berufen. Nicht nur, dass er mit dieser Kunst in Florenz am Hofe der Medici begonnen hat, die Bildhauerei allein konnte ihm Antwort geben auf die Frage, was den Menschen ausmacht. Aus Stein befreite er Idealkörper und beseelte Menschen wie den David, die herausragende Skulptur der Menschheitsgeschichte, die heute in der Galleria dell'Accademia in Florenz steht. Michelangelo war versessen auf das Studium des menschlichen Körpers: Muskeln, Adern, Sehnen – unzählige Skizzen zeugen von Michelangelos Wunsch, den idealen Körper darzustellen, der aber nicht gefühls- und seelenlos sein durfte. Schon sein David, kurz vor dem Kampf mit dem Philister Goliath, vereint eine dramatische Spannung zwischen Gelassenheit und Anspannung. Sein Nacken ist gespannt. Sein Blick geht in die Ferne. Die rechte Hand umklammert fest den Stein. Nachlässig aber hat er auf der linken Seite noch die Schleuder über die Schultern gelegt. Gefühle, ideale Schönheit, aber auch Schmerz und Zerrissenheit – all das gelingt Michelangelo in seinen aus hartem Marmor geschaffenen Skulpturen darzustellen. Die Kunst schaut tiefer und lässt im Gefüge des Körpers die Gefühlswelt und die Größe des Menschen, seinen Geist und seine Seele, erkennen.

„Buchdruck zu Gutenbergs Zeit“; Schulwandbild 1950
„Buchdruck zu Gutenbergs Zeit“; Schulwandbild 1950

Die Biologie kennt den modernen Menschen seit rund 200.000 Jahren erst und vermutet seinen Ursprung in Afrika, möglicherweise in Äthiopien. Charles Darwin hat mit seinen Forschungen deutlich gemacht, dass der Mensch Teil der gesamten Evolution ist und nicht fertig „vom Himmel“ fiel. Gene, Zellen, DNA bilden heute das Forschungsfeld der sog. Humangenetik. Der Mensch ist ein zeitlich begrenztes Lebewesen, eingespannt zwischen Geburt und Tod. Er nimmt an der Evolution des Lebens teil, zeigt dabei aber weit weniger genetische Vielfalt als Menschenaffen.

„Was ist der Mensch?“ Die Antwort auf diese Frage braucht die Klärung meines Standpunktes, von dem aus ich auf den Menschen schaue: aus dem Blickwinkel der Philosophie, der Biologie, der Gesellschaftslehre, der Religion...

Immer aber ergibt sich ein vielschichtiges Bild. Die drei Begriffe „Körper“, „Geist“ und „Seele“ bilden dabei einen klassischen Rahmen für ein ganzheitliches Verstehen des Menschen. Die folgenden Erklärungen zum antiken Sprachgebrauch stammen von Bert Stenger.
„Goethe und Schiller in Jena“; Schulwandbild 1948
„Goethe und Schiller in Jena“; Schulwandbild 1948

Ho - Der Mensch
Der griechisch-antike Sprachgebrauch verwendet für den aufgerichteten, aufrecht schreitenden Menschen den Begriff Anthropos ( von anti und tropos: wörtlich: der entgegen Gewendete), da sich der Mensch gerade durch seine aufrechte Haltung am deutlichsten vom Tier unterscheidet. Der Anthropos löst sich damit gleichsam aus der Natur heraus, überwindet die Naturinstinkte und tritt zugleich auch der Götterwelt als eigenständiges, den Göttern mitunter trotzendes Wesen entgegen. Der Mensch schafft sich in seiner Seele einen eigenen, auf den Verstand gegründeten festen Standpunkt, von dem aus er
die Welt betrachtet und beurteilt.

To Soma - Der Körper
Der materielle Körper bzw. der Mensch als belebter Körper wird in der griechischen Antike mit dem Begriff Soma beschrieben, wobei der Begriff Soma auch generell ,,Materie" bedeuten kann.
In der griechischen Philosophie gab es die Auffassung, dass das Soma durch die Psyche (Lebensatem) lebendig wird und durch sie mit dem Logos (Weltvernunft) in Beziehung gesetzt wird.

„Die Entdeckung der Röntgenstrahlen“; Schulwandbild 1952
„Die Entdeckung der Röntgenstrahlen“; Schulwandbild 1952

He sarx - Das Fleisch
Neben dem Begriff Soma findet sich im griechisch-antiken Sprachgebrauch noch der Begriff Sarx, welcher das lebendige (Muskel)Fleisch sowie den vergänglichen Körper und damit die irdische Existenz beschreibt. Im Neuen Testament, besonders bei Paulus, kennzeichnet der Begriff Sarx den Menschen
einerseits als irdisches Geschöpf, andererseits als schwachen Sünder, wobei Sarx als Sitz der Affekte, Aggression und Konflikte verstanden wird (vgl. ,,Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach." Matthäus 26,41)

To zoon politikon) - Lebewesen in der Polisgemeinschaft
Der Mensch als soziales bzw. politisches Wesen wird mit dem Begriff des  Zoon Politikon definiert, welcher vom antiken griechischen Philosoph Aristoteles geprägt wurde. Danach ist es die Wesensbestimmung des Menschen, Gemeinschaften zu bilden bzw. in Gemeinschaft zu leben, wobei der Wille zum Leben den Willen zur Staatenbildung begründet. "Wie im Samen der ganze Baum veranlagt ist, so ist im Menschen der Staat veranlagt."
(Aristoteles, Politika)

„Die Taufe“; Bildausschnitt aus einem Schulwandbild 1913
„Die Taufe“; Bildausschnitt aus einem Schulwandbild 1913
Buchillustration aus „Christliche Standesunterweisung“, 1898;
Buchillustration aus „Christliche Standesunterweisung“, 1898;

Gerade das Christentum hat in den Schriften des Apostels Paulus und in der frühchristlichen Tradition enge Berührungspunkte zur antiken griechischen Philosophie. Nicht weniger aber beruht sie auf dem Menschenbild der hebräischen Bibel.


Die biblische Überlieferung kennt zwei Arten von Schöpfungsaussagen: die Menschenschöpfungsüberlieferung und die Weltschöpfungsüberlieferung. Beide bilden eine eigenständige Tradition und gehören nicht von Anfang an zusammen. Die ältere Überlieferung vom Werden des Menschen gründet in seinem Erleben und der daraus entspringenden Frage nach seinem eigenen „Woher komme ich“. So hatte in der biblischen Überlieferung die Frage nach dem Menschen seinen ursprünglichen „Sitz im Leben“ im sog. Klagegebet. Der Beter erinnert Gott an seine Erschaffung und formuliert daraus die Bitte, dass Gott ihn doch jetzt nicht allein lasse, sondern ihn rette aus seiner Not. Die Erinnerung an die Weltschöpfung war dagegen fester Bestandteil des Lobgebetes der ganzen Gemeinde.

Die Bibel verschweigt Glück und Leid des Menschen nicht. Sein Leben erst ist der Boden für die Entfaltung des Glaubens an den Gott, der ihn geschaffen, aus Ägypten gerettet und in das Land geführt hat, das er schon Abraham verheißen hat. Dabei entwickelt die Bibel ihre eigene Sicht vom Menschen in zwei theologischen Grundgedanken:
1. Der Mensch ist „Bild Gottes“
Gott erschafft den Menschen als sein Abbild, ihm ähnlich (Gen 1,26f).
Wohl kannte die orientalische Umwelt Israels die Vorstellung, dass bestimmte Menschen als Bild Gottes gelten konnten, aber diese Ausweitung auf jeden Menschen ist ohne Parallele. Weil er Bild Gottes ist und somit eine Sonderstellung einnimmt, bekommt der Mensch in seiner Schöpfung eine wichtige Funktion. Er soll in ihr herrschen, nicht im Sinne von Ausbeutung, sondern als Auftrag zur Hirtenherrschaft, also zur Abwehr aller die Schöpfung bedrohenden Feinde. Es ist die Bestimmung des Menschen, für die Schöpfung zu sorgen, und teilzuhaben am schöpferischen Wirken Gottes durch die Zeugung von Nachkommen.
Schließlich lässt die Rede vom Menschen als Bild Gottes auch schon seine Unvergänglichkeit erahnen.
Feldaltar für einen katholischen Priester im 1. Weltkrieg; Leihgabe von Armin Hospes, Marktheidenfeld
Feldaltar für einen katholischen Priester im 1. Weltkrieg; Leihgabe von Armin Hospes, Marktheidenfeld

2. Gott schafft Mann und Frau
Nachdrücklich betonen alle biblischen Schöpfungsüberlieferungen den Menschen als Mann und Frau. Der 2. Schöpfungsbericht nennt die Frau eine „echte Hilfe“ für den Menschen, die ihn vor dem Alleinsein rettet. Die konkret erlebte Herrschaft des Mannes über die Frau deutet die Bibel als Folge der Sünde und damit als Widerspruch zum Willen Gottes. Geschlechtlichkeit und eheliche Liebe bilden für die Überlieferung der Bibel einen wesentlichen Punkt des Menschseins und werden daher offen und ohne negativen Unterton dargestellt.
Geschirr für den Versehgang (letzte Ölung), um 1950
Geschirr für den Versehgang (letzte Ölung), um 1950

Neben diesen beiden Grundaxiomen der biblischen Sicht auf den Menschen gilt es noch einige Aspekte zu erwähnen, die die Überlieferung vervollständigen:
Der Mensch unterscheidet sich vom Tier durch seine Sprachfähigkeit.
Gott bläst dem Menschen, aber auch dem Tier, den Lebensodem (Nefesch) ein. Häufig wird der hebräische Begriff „Nefesch“ im Deutschen mit „Seele“ wiedergegeben. Er umfasst aber noch eine größere Deutungsbreite i.S. von innerer Lebendigkeit,  Lebenswille und Lebensdrang.
Die Leiblichkeit des Menschen fasst die hebräische Überlieferung mit dem Begriff „Basar“ zusammen. Damit ist mehr gemeint als sein Körper. Hier ist seine Geschlechtlichkeit, aber auch seine Erfahrung von Hinfälligkeit, seine Verwandtschaftsbeziehungen, seine Familie und die umfassende Gemeinschaft von Frau und Mann angesprochen.
Gottes „Ruach“ (Geist) schwebt am Anfang über dem Wasser und dient zugleich zur Wiedergabe der Gemütsbewegungen des Menschen, sein Erkennen, Verstehen und Urteilen.
Zentraler Begriff für die geistige und seelische Dimension des Menschen ist „Leb“ (Herz). Im Herzen hat der Verstand seinen Sitz. Das Herz hat Einsicht, Erkenntnis und Entscheidungsfähigkeit. Im hebräischen Denken regt sich das Gewissen in den Nieren.
Messkännchen für Wein und Wasser, um 1730; aus dem Kirchenschatz der Lohrer Pfarrei St. Michael
Messkännchen für Wein und Wasser, um 1730; aus dem Kirchenschatz der Lohrer Pfarrei St. Michael

Auch für die Bibel ist die Frage „Was ist der Mensch?“ eine zentrale Herausforderungen für das Denken und den Glauben. Sie versteht ihn ganzheitlich. Nur so kann er mit allem, was ihn prägt, Abbild Gottes sein und zu seiner Ehre leben:
„Meine Seele verzehrt sich in Sehnsucht nach dem Tempel des Herrn. Mein Herz und mein Leib jauchzen ihm zu, ihm, dem lebendigen Gott.“ (Psalm 84,3)

Das Schulmuseum Lohr-Sendelbach und die Pfarrei St. Michael wollen in einer gemeinsamen Ausstellung im Fischerhaus am Kirchplatz zeigen, wie diese ganzheitliche Sicht des Menschen  auch schon vor hundert Jahren die Entwicklung eines Menschen formte. Aus dem Bestand der Familie Hettiger werden z.B. Erinnerungsgegenstände gezeigt, die an wichtigen Knotenpunkte auf dem Lebensweg eines Menschen ihn körperlich, geistig und religiös fördern sollten. Die Entwicklungsstadien des Körpers werden mit Bildungsinhalten der Schulzeit und der Katechese in der religiösen Bildung bzw. dem Empfang der Sakramente verbunden.
Neben einem Überblick über den Unterricht im Blick auf den menschlichen Körper finden sich zahlreichen Ausstellungsstücke, die das Denken und die Volksfrömmigkeit jener Zeit beleuchten: Schulbilder, Literatur, Hausaltäre und Andachtsgegenstände.
Eröffnung ist am Palmsonntag, 13.4.2014, um 11.00 Uhr im Anschluss an das Hochamt in der Stadtpfarrkirche.
Die Ausstellung ist dann bis zum 4. Mai jeweils an den Sonn- und Feiertagen von 14.00 – 17.00 Uhr geöffnet. Der Eintritt ist frei.

(Text: Pfarrer Sven Johannsen)


Das Lohrer Schulmuseum im Ortsteil Lohr-Sendelbach ist von Mittwoch bis Sonntag und an allen gesetzlichen Feiertagen jeweils von 14 bis 16 Uhr geöffnet. Gruppen können auch nach vorheriger Absprache außerhalb der regulären Öffnungszeiten das Museum besuchen.
(Kontakt:
Eduard Stenger, Zum Sommerhof 20, 97816 Lohr a.Main; Tel. 09352/4960 oder 09359/317, e-Mail: eduard.stenger@gmx.net
Ernst Huber
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