„Wer will fleißige Handwerker
seh'n,…“ Handwerksausstellung im
Lohrer Schulmuseum
vom 11. September 2016
bis 27. August 2017
Die Schneiderfamilie
Hahmann, hinten links stehend Karl Hahmann, vorne rechts sitzend Georg
Hahmann, ab 1974 Lohrer
Ehrenbürger, alle Männer waren Schneider
„Wer will fleißige Handwerker seh'n,…“
Handwerksausstellung im Lohrer Schulmuseum
vom 11. September 2016 bis 27. August 2017
Wer will fleißige Handwerker sehn,
der muß zu uns Kindern gehen!
Stein auf Stein, Stein auf Stein,
das Häuschen wird bald fertig sein.
Wer will fleißige Handwerker sehn,
der muß zu uns Kindern gehn!
O wie fein, o wie fein,
der Glaser setzt die Scheiben ein.
Wer will fleißige Handwerker sehn,
der muß zu uns Kindern gehn!
Tauchet ein, tauchet ein,
der Maler streicht die Wände fein.
Wer will fleißige Handwerker sehn,
der muß zu uns Kindern gehn!
Zisch, zisch, zisch; zisch, zisch, zisch,
der Tischler hobelt glatt den Tisch.
Wer will fleißige Handwerker sehn,
der muß zu uns Kindern gehn!
Poch, poch, poch; poch, poch, poch,
der Schuster schustert zu das Loch.
Wer will fleißige Handwerker sehn,
der muß zu uns Kindern gehn!
Stich, stich, stich; stich, stich, stich,
der Schneider näht ein Kleid für mich.
Wer will fleißige Handwerker sehn,
der muß zu uns Kindern gehn!
Rühre ein, rühre ein,
der Kuchen wird bald fertig sein.
(Volkslied aus dem 19. Jahrhundert)
Das Handwerk,
wörtlich vom Lateinischen „opus manuum“ ins Deutsche übertragen,
beinhaltet verschiedene Berufe, die sich mit der Herstellung von
Produkten oder der Erbringung von Dienstleistungen beschäftigen.
Eine Spezialisierung auf bestimmte Fertigkeiten erfolgte
bereits in vorgeschichtlicher Zeit mit der durch die Sesshaftwerdung
aufkommenden Arbeitsteilung.
Meisterbrief des
Lohrers Karl Hahmann 1920
Meisterbrief des
Lohrers Johann Senger 1925
In der Antike wenig geschätzt und als téchnai banausikaí
(Banause: Handwerker, Spießbürger, adj. gewerbetreibend, gemein,
niedrig) bezeichnet, spielten die Handwerkskünste im Mittelalter eine
immer größere Rolle. Zuerst in Klöstern, später auch in den wachsenden
Städten, gewannen handwerkliche Berufe an Bedeutung und Einfluss und
organisierten sich in Zünften, die die Lehrzeit, das Lehrgeld, die
Meisterprüfung, die Walz usw. regelten.
Lehrbrief des
Sendelbachers Michael Stegerwald 1919
In den mittelalterlichen Schulen, die vorwiegend von
Klöstern unterhalten wurden, spielte eine handwerkliche Ausbildung kaum
eine Rolle. Die Betonung lag vielmehr auf der geistigen Bildung. Dieses
Ungleichgewicht fand seine Fortsetzung in Lateinschulen und
humanistischen Gymnasien, in denen gemäß den großen antiken
Philosophenschulen Geisteswissenschaften gelehrt und geübt wurden, der
Körper und seine Fähigkeiten jedoch untergeordnet waren.
Einzelne Pädagogen wie Wolfgang Ratke, Johann Comenius oder
Johannes Raue bemühten sich bereits im 16. und 17. Jahrhundert um eine
„reale“ Bildung, jedoch erst 1707 mit der Gründung der „Mathematischen
und Mechanischen Realschule“ durch den Hallenser Pastor Christoph
Semler wurde der Grundstein und der Name für die späteren Realschulen
gelegt.
Diese sollten die Kinder nicht auf ein Universitätsstudium
vorbereiten, sondern in Techniken schulen, die für den Beruf notwendig
erschienen.
Beim Schuster,
Illustration aus der Fibel der Mark Brandenburg, 1943
Die im 19. Jahrhundert einsetzende Industrialisierung
brachte neben der Massenproduktion auch Freiheiten mit sich. So setzte
sich die Gewerbefreiheit durch, die jedem Bürger ermöglichte, seinen
Beruf frei zu wählen und einen entsprechenden Handwerksbetrieb zu
gründen. Die Neuordnung der Gewerbeordnung Ende des 19. Jahrhunderts
legte den Grundstein für das heutige duale System der Berufsausbildung.
Entsprechend fanden ab dieser Zeit handwerkliche Themen und
Darstellungen auch Eingang in Fibeln, Lese- und Rechenbücher, in
Schulwandbilder, in Dias und andere Lehrmaterialien.
Dieses und vieles mehr zeigt die Ausstellung im Lohrer
Schulmuseum und macht Handwerk erlebbar. So lädt eine alte Nähmaschine
dazu ein, selbst einmal das Schwungrad in Bewegung zu setzen und auf
einem Stück Stoff eine Naht zu machen. Was ein geübter Schneider damit
herstellen konnte, zeigt ein Matrosenanzug für Kinder aus der
Kaiserzeit, der zur Verdeutlichung ebenfalls ausgestellt ist.
Meister- und Gesellenbriefe von Küfern, Schneidern und
Schustern weisen auf die ehemals in Lohr ansässigen Handwerksberufe hin.
Die Lohrer Straßenschilder zeigen noch heute, wo welche
Berufe ausgeübt wurden.
So findet man eine Uhrmachergasse, Färbergasse, Gerbergasse,
Konditorgasse oder Schornsteinfegergasse.
Nicht mehr finden kann man allerdings die Schiffswerft an
der heutigen Mainlände, wo bis ca. 1890 bis weit über die Grenzen
hinaus gefragte Holzschiffe hergestellt wurden.
Exponate alter Lohrer Handwerksbetriebe wie z.B.
Holzleisten, Uhrmacherwerkzeug, Backformen, Küferwerkzeug usw. wurden
für die Ausstellung u. a. freundlicherweise von folgenden
Firmen/Betrieben/Personen zur Verfügung gestellt:
Gerd Hahmann, Müller-Thurgau-Weg 9, Lohr;
Schnürschuh u. Schuhhaus Schwind, Hauptstraße, Lohr;
Juwelier Kriegbaum, Färbergasse 14, Lohr;
Bäckerei Strobel, Sendelbacher Str. 22, Lohr;
Gasthaus Küferstube, Bahnhofstr. 12-14, Lohr;
ehem. Metzgerei Ruf, Lohr.
Am
Eröffnungstag der Sonderausstellung (11. Sept. 2016) ist der Eintritt
frei.
(Text und Fotos von Bettina Merz, Mitarbeiterin am Lohrer
Schulmuseum)
Das Lohrer Schulmuseum im Ortsteil Lohr-Sendelbach ist von
Mittwoch bis Sonntag und an allen gesetzlichen Feiertagen jeweils von
14 bis 16 Uhr geöffnet. Gruppen können auch nach vorheriger Absprache
außerhalb der regulären Öffnungszeiten das Museum besuchen. (Kontakt:
Eduard Stenger, Zum Sommerhof 20, 97816 Lohr a. Main Tel. 09352/4960
oder 09359/317, E-Mail: eduard.stenger@gmx.net