Wohl
die wenigsten Lohrer wissen, dass der unterste Kellerraum des
imposanten das Lohrer Stadtbild prägenden Alten Rathauses an die
grausame Zeit der Hexenverfolgung in Lohr a.Main erinnert. Da die
vorhandenen Prozessakten erst ab 1611 halbwegs gesicherte Erkenntnisse
über die Hexenprozesse zulassen, kann auch nur über die Zeit ab 1611
berichtet werden.
„Kerker im Alten Rathaus“, Kopie aus „Das Alte Rathaus von Lohr“,
von Alfons Ruf, 1996 (Abdruck mit freundlicher Genehmigung von Alfons
Ruf)
In
dem sog. „Secret“ waren die Menschen inhaftiert, die durch Folter zu
Geständnissen gezwungen wurden. Bei „Hexen“ endeten diese in der Regel
auf dem Scheiterhaufen durch Verbrennung. Über die insgesamt drei
Kerker im Keller des Rathauses schreibt Friedrich Karl Stelzner in „Das
Zauber- und Hexenwesen der Stadt Lohr.“ 1892: „Schon der Aufenthalt im
Kerker war ganz geeignet, auch die Standhaftesten zu erschüttern. Wer
sie gesehen hat die schauerlichen Räume, in welchen die armen
Gefangenen sich nicht bewegen, häufig nur sitzen oder liegen konnten,
wo sie ohne genügende Nahrung, von Nässe und Kälte, von Unrath und
Ungeziefer gepeinigt, oft viele Monate lang geschmachtet haben, der
begreift nicht, wie es Menschen geben konnte, welche solche Leiden zu
schaffen, und wieder Andere, die sie zu ertragen fähig waren.“ Weigerten
die Beschuldigten trotz dieser unmenschlichen Haftbedingungen, ein
„Geständnis“, abzulegen, „wurde sofort zum 'peinlichen' Verfahren
geschritten, also gefoltert.
„Im untersten Gewölbe (Kerker 3), dem Secret, wurden wohl die Todesdelinquenten verwahrt.
Über
das Vorgehen der Folterknechte ist bei Stelzner zu lesen: „Wir sehen da
zuerst (in der Folterkammer) die Daumenschraube, durch welche die
zusammengelegten Daumen gequetscht wurden. Dann die Beinschraube, auch
'spanische Stiefel' (oder auch 'Krebs') genannt, welche Waden und
Schienbein zusammenpreßte, daß oft die Knochen splittertn. Zu Erhöhung
der Schmerzen wurde gewöhnlich noch mit Hammerschlägen gegen das
Schienbein nachgeholfen. Ferner den mit Stacheln besetzten 'Bock', auf
welchem die Delinquenten mit zusammengebunden Händen sitzen mußten und
den 'Zug', eines der schrecklichsten Folterwerkzeuge. Es bestand darin,
daß man den Angeklagten die Hände am Rücken zusammenband, ein Seil
daran befestigte, welches oben durch eine Rolle ging, und diese
Unglücklichen nun in die Höhe zog, dann rascher oder langsamer
herabfallen ließ, bis ihnen die ausgerenkten Arme verkehrt über dem
Kopf standen. Zur Abwechslung ging der 'Zug' auch über eine aufrecht
stehende Leiter mit scharfkantigen, oder sonst mit Spitzen versehenen
Sprossen, wobei das Fleisch nicht selten stückweise herausgerissen
wurde.“
„Im untersten Gewölbe (Kerker 3), dem Secret, wurden wohl die Todesdelinquenten verwahrt. Hier warteten auch die der Hexerei bezichtigten Personen. Der
Steinblock mit der Kette und den daran befestigten Fußschellen, womit
die Gefangenen zusätzlich angekettet wurden, ist heute noch
vorhanden..“
Die
Unglücklichen wurden so lange gemartert, bis sie unter den Folterqualen
Aussagen machten, die ihnen in den Mund gelegt wurden und gravierend
genug waren, um ein Todesurteil begründen zu können, bei den wegen
Hexerei Inhaftierten (meistens Frauen) eben der Feuertod.
Vereinzelt gab es aber Menschen, die trotz aller Qualen zu keinem „Geständnis“ bereit waren. So
berichtet Stelzner: „ Eine wahrhaft heldenmäßige Standhaftigkeit zeigt
Dorothea Keßler, Ehefrau des Hans Keßler, Kupferschmied zu Lohr. Sie
erträgt den 'Krebs' an beiden Schenkeln, wie auch den Aufzug mit dem
Seil, ohne zu bekennen und wird vorläufig in die 'custodie'
(Kerkerzelle) zurückgebracht. Wieder vorgeführt und aufgezogen, dazu
die Füße noch mit Steinen beschwert, schreit sie: ' sie wolle wie eine
fromme Christin sterben; hat endlich geschlafen und auf die Frage wie
ihr gewesen, gesagt: sie habe gebetet.' Zum dritten Male vernommen und
'eine Zeitlang aufgezogen,' bleibt sie dabei, daß sie unschuldig sei
und wird nun gegen Caution und Ersatz der erlaufenen Kosten aus der
Haft entlassen, dann auf churfürstlichen Befehl des Landes verwiesen(3.
Februar und 31. August 1628.).“ „Nach dem Jahre 1629, in welchem
unsere Akten abbrechen, scheinen nur wenige Hinrichtungen mehr
vorgekommen zu sein. Unter den Drangsalen des 30jährigen Krieges hatte
man wohl auch an Anderes zu denken als an Hexenverbrennungen und im
Jahre 1647 kam Johann Philipp v. Schönborn zur Regierung, welcher den
Hexenprozess im Mainzer Lande (wozu auch Lohr gehörte) sofort
abschaffte.“ (Stelzner) Insgesamt etwa 70 Menschen waren von 1611 bis 1629 in der Lohrer Region dem Hexenwahn zum Opfer gefallen.
Der
heute noch weitgehend im Originalzustand vorhandene unterste Kerker
(„Secret“), in dem wahrscheinlich die der Hexerei angeklagten Menschen
inhaftiert gewesen waren, hat nun Frau Lohr in mühevoller, präziser
Kleinarbeit im Verhältnis 1:12 und originalgetreu nachgebaut, in jeder
Beziehung eine außergewöhnliche Meisterleistung von hoher
kunsthandwerkliche Qualität.
An den Weihnachtstagen 2015 können
die Besucher des Lohrer Schulmuseums neben verschiedenen anderen
Miniaturen von Gertrud Lohr auch den Lohrer Kerker im Alten Rathaus
betrachten, ein interessantes Angebot.
Museumsleiter Eduard Stenger und Gertrud Lohr
Das
Lohrer Schulmuseum im Ortsteil Lohr-Sendelbach ist von Mittwoch bis
Sonntag und an allen gesetzlichen Feiertagen jeweils von 14 bis 16 Uhr
geöffnet. Gruppen können auch nach vorheriger Absprache außerhalb der
regulären Öffnungszeiten das Museum besuchen. (Kontakt: Eduard Stenger,
Zum Sommerhof 20, 97816 Lohr a.Main; Tel. 09352/4960 oder 09359/317, e-Mail: eduard.stenger@gmx.net)