Sonderausstellung im Schulmuseum
 25. Februar 2012 bis zum 9. April 2012
Abenteuer mit Karl May
Erinnerungen an den vor 100 Jahren verstorbenen Schriftsteller


Anlässlich des 100 Todestages des weltbekannten Schriftstellers Karl May erinnert das Lohrer Schulmuseum mit einer Sonderausstellung im Eingangsbereich an den  weltbekannten Bestsellerautor.
Cover auf dem vorderen Einbanddeckel des Karl-May-Bands 34 „ICH“, „Karl May – Leben und Werk“, 37. unveränderte Auflage 1985, Karl-May-Verlag Bamberg/herausgegeben von Roland Schmid, Satz und Druck: St. Otto-Verlag, Bamberg.
Cover auf dem vorderen Einbanddeckel des Karl-May-Bands 34
„ICH“, „Karl May – Leben und Werk“, 37. unveränderte Auflage 1985,
Karl-May-Verlag Bamberg/herausgegeben von Roland Schmid,
Satz und Druck: St. Otto-Verlag, Bamberg.
Das Bildnis ist die Reproduktion eines Gemäldes von Prof. Selmar Werner.
(Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Karl-May-Verlages Bamberg)

Einige Informationen zum Lebenslauf Karl Mays: Der am 25. Februar 1842 in dem erzgebirgischen Städtchen Ernstthal geborene und in ärmlichsten Verhältnissen herangewachsene Karl May sollte ursprünglich nach dem Willen seines Vaters Volksschullehrer werden. Eigentumsdelikte und anderes Fehlverhalten machten diesen Berufswunsch zunichte. 1870 wurde er wegen Landstreicherei, Diebstahls, Betrugs usw. unter Berücksichtigung seiner Rückfälligkeit zu einer Zuchthausstrafe von vier Jahren verurteilt. Während der Haftzeit war Karl May auch in der Gefangenenbibliothek beschäftigt und dort entdeckte er schnell seine schriftstellerischen Fähigkeiten als Verfasser von Erzählungen und wurde nach der Entlassung aus dem Zuchthaus insbesondere mit seinen Kolportageromanen der erfolgreichste Autor von Trivialliteratur.
Die Texte Karl Mays veränderten sich nach und nach vom zunächst namenlosen Ich-Erzähler, der die Geschichten als Zuschauer und Berichterstatter beschrieb, bis hin zur Old-Shatterhand-Legende, in der Karl May behauptete, tatsächlich Old Shatterhand zu sein und die Abenteuer mit Winnetou wirklich erlebt zu haben.
Karl Mays Geburtshaus in Hohenstein-Ernstthal; Foto wohl um 1900
Karl Mays Geburtshaus in Hohenstein-Ernstthal;
 Foto wohl um 1900

In seinem Spätwerk schrieb Karl May symbolische Romane mit weltanschaulich-religiösem Inhalt und pazifistischer Ausrichtung. Seine Werke Ardistan und Dschinnistan (1909), Und Friede auf Erden (1904), vor allem aber Winnetou IV sind seine literarisch bedeutendsten Werke. Sie entstanden auch unter dem Einfluss des Jugendstilmalers und Bildhauers Sascha Schneider, der für verschiedene Karl-May-Bände die Deckelillustrationen schuf.
Karl May starb am 30. März 1912 und wurde in Radebeul beigesetzt.
Die 1895 von Karl May erworbene Villa in Radebeul („Villa Shatterhand“); Foto um 1900
Die 1895 von Karl May erworbene Villa in Radebeul
 („Villa Shatterhand“); Foto um 1900
Ruhestätte Karl Mays auf dem Friedhof von Radebeul
Ruhestätte Karl Mays auf dem
Friedhof von Radebeul
 Auch heute noch gehört Karl May zu den meistgelesenen deutschen Schriftstellern. Seine Abenteuerromane und Jugenderzählungen, die vorwiegend im Wilden Westen Nordamerikas und im Orient des späten 19. Jahrhunderts spielen, wurden in mehr als 33 Sprachen übersetzt und haben inzwischen eine Gesamtauflage von über 200 Millionen erreicht.
„Der Schriftsteller Karl May mit seinen Alter Egos Old Shatterhand und Kara Ben Nemsi“; (Bild und Text: Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Karl-May-Verlages Bamberg)
„Der Schriftsteller Karl May mit seinen Alter Egos Old Shatterhand und Kara Ben Nemsi“;
(Bild und Text: Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Karl-May-Verlages Bamberg)

Karl May – steckbrieflich gesucht!
Dem wegen verschiedener Vergehen verhafteten Karl May gelang bei einem Gefangenentransport am 26. Juli 1869 die Flucht. Bereits am nächsten Tag wurde er im „Königl. Sächs. Gendarmerieblatt“ mit nachfolgendem Text zur Fahndung ausgeschrieben:
„Karl May als Old Shatterhand“ (mit Winnetous Silberbüchse); Foto um 1897
„Karl May als Old Shatterhand“ (mit Winnetous Silberbüchse); Foto um 1897
(Bild und Text: Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Karl-May-Verlages Bamberg)
Anmerkung: Das Foto sollte die Identität Karl Mays mit seiner Romanfigur unterstreichen.


„May, Carl Friedrich, vormal. Schullehrer aus Ernstthal, welcher sich wegen zahlreicher Verbrechen in Mittweida in Untersuchung befindet, ist heute auf dem Transport von St. Egydien nach Bräunsdorf unter Zerbrechung der Fessel entsprungen. Es ist alles zu seiner Wiedererlangung aufzubieten. M. ist 72 Zoll lang, schlank, hat längl. Gesicht und Nase, dunkelblondes nach hinten gekämmtes Haar, schwachen Bartwuchs (trägt auch falsche Bärte), graue Augen, starren stechenden Blick, krumme Beine. Er spricht langsam, in gewählten Ausdrücken, verzieht beim Reden den Mund, hat auch häufig ein Lächeln um den Mund. Er ist mit Tripperkrankheit behaftet. Bei der Entweichung trug er schwarzseidenes rund-deckliges Sommerhütchen, braunen, ins Gilbliche schillernden jupenartigen Rock mit breiter schwarzer Borde besetzt, braune Weste und dergl. Hosen mit breitem schwarzen Streifen. Hohenstein, den 26/7. 69.“
Erst ein knappes halbes Jahr später wurde May in Algersdorf (Böhmen) festgenommen.
Nach seiner Verurteilung verbüßte Karl May eine vierjährige Zuchthausstrafe in der Waldheimer Strafanstalt unter härtesten Haftbedingungen und täglichen Arbeitszeiten von mindestens 13 Stunden.
„Waldröschen“, Titelseite eines Fortsetzungsromans
„Waldröschen“, Titelseite eines Fortsetzungsromans
„Das Waldröschen“ von Karl May erschien von 1882 bis 1884 in 109 Lieferungen
 mit einem Gesamtumfang von 2612 Seiten  und ist wohl der erfolgreichste
Kolportageroman des 19. Jahrhunderts. Anmerkung: Kaum bekannt dürfte heute sein,
dass Karl May u.a. auch fünf sog. „Kolportageromane“, eine gegen Ende
des 19. Jahrhunderts weit verbreitete Form der Unterhaltung per Fortsetzungsgeschichten
in Heftform, schrieb und sich damit einen wesentlichen Teil seines Lebensunterhaltes sicherte.


Karl May als Sexualaufklärer
Das 1875 von dem Verleger Münchmeyer vertriebene anonyme „Buch der Liebe“, von Karl May später als scheußliches „Schund- und Schandwerk“ bezeichnet, war wohl in Wirklichkeit eines der Erstlingswerke des jungen Literaten Karl May, mit dem sich May auf Drängen seines Verlegers sein Geld als Schriftsteller verdient hatte.
Das Buch richtete sich offiziell an den „gebildeten Vater“, dem „die heimlichen Fragen des Geschlechtslebens schon durch die Erfahrung beantwortet sind“.
Der damals dreiunddreißigjährige Schriftsteller schrieb über Wesen, Formen und Negationen der Liebe, unterfütterte diese mit entsprechenden Bibelzitaten, geflügelten Worten und Gedichten und berief sich auf Sittengeschichtler usw.
Karl May ließ in diesem Werk auch bereits typische Merkmale seines Menschheitspathos und Missionsdrangs, wie sie in seinen Spätwerken zum Ausdruck kommen, anklingen.
Reihe 1 mit dem Titel „Winnetou“ aus dem Quartettspiel „Karl May-Quartett“; herausgegeben wohl in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts (Foto: Schulmuseum Lohr)
Reihe 1 mit dem Titel „Winnetou“ aus dem Quartettspiel „Karl May-Quartett“; herausgegeben wohl in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts (Foto: Schulmuseum Lohr)

Karl May – und die Folgen
„Als ein neues Opfer der Schundliteratur muß der 15-jährige Mörder Klempnerlehrling Hirt in Chemnitz bezeichnet werden. Räuber- und Indianergeschichten hatten ihm den Kopf so verdreht, daß er, um Mittel zur Auswanderung nach Amerika zu gewinnen, zur Mordwaffe griff und einen armen jungen Fabrikarbeiter erschoß.“, schrieb 1884 die Allgemeine Deutsche Lehrerzeitung.
 (Cover auf dem vorderen Einbanddeckel): „Der Sohn des Bärenjägers“, 1890 (Abdruck mit freundlicher Genehmigung des J. H. Röll Verlages GmbH, Dettelbach)(Cover auf dem vorderen Einbanddeckel): „Der Sohn des Bärenjägers“, 1890 (Abdruck mit freundlicher Genehmigung des J. H. Röll Verlages GmbH, Dettelbach)
 „Der Ölprinz“, 1897 (Abdruck mit freundlicher Genehmigung des J. H. Röll Verlages GmbH, Dettelbach)   „Der Schatz im Silbersee“, 1894

Es war nicht das erste Mal, dass sich Pädagogen besorgt über die Abenteuerlust der Buben äußerten, deren Ursache sie in den zahlreichen Geschichten über das Leben in fernen Ländern vermuteten. Vor allem Karl May, dessen Erzählungen von den Jungen regelrecht verschlungen wurden, kam schnell in das Fadenkreuz der Kritiker und Mahner.
Immer wieder berichtete die Allgemeine Deutsche Lehrerzeitung über die angeblichen Folgen der „Karl-May-Romane“, so auch 1893: „Die Indianergeschichten haben es wieder einmal den Koburger Schulknaben angethan. Die übereifrige Lektüre derselben hat sie dieser Tage die Bücher mit dem Wanderstab vertauschen und die Weite suchen lassen. Sie beabsichtigten nach Amerika, dem Lande ihrer Träume zu pilgern, oder vielleicht auch nach dem sagenumgürteten Sudan zu pilgern, um in den Urwäldern des ersteren ein freies Jägerleben zu führen und mit den Indianern sich in blutige Kämpfe einzulassen oder den tapferen Sudanesen im Kampfe gegen die auch nicht üblen Englishmen beizustehen. Trotzdem sie sich nun auch reichlich mit Geld versehen hatten, wurden die angehenden Helden doch schon in Ulm aufgegriffen, um unter polizeilicher Eskorte nach ihrer Heimat zurückgebracht zu werden.“
„Bei den Indianern“; vergrößertes Glasschiebebild für die Laterna magica aus der Zeit um 1890 (Foto: Udo Kleinfelder, Lohr)
„Bei den Indianern“; vergrößertes Glasschiebebild für die Laterna magica aus der Zeit um 1890 (Foto: Udo Kleinfelder, Lohr)
Auch in der unterfränkischen Region hatte Karl May offensichtlich viele jugendliche Fans mit angeblich entsprechenden Folgen.
Am 10. Januar 1899 berichtete das „Aschaffenburger Intelligenzblatt“ unter der Rubrik „Stadt und Kreis.“: Dem jugendlichen Diebeskonsortium der Stadt Aschaffenburg fallen immer mehr Diebstähle zur Last. So wurde auch ermittelt, daß dasselbe bei Herrn Gastwirth Stühler in der Weißenburgerstraße einen größeren Diebstahl dadurch ausführte, daß es demselben mehrere Kisten Cigarren und eine Flasche Branntwein (Kirschwasser) im Gesammtwerthe von circa 50-60 Mark im Laufe der letzten Zeit entwendete. Sein Schlupfwinkel war in einer Schülerwohnung dahier, woselbst fast immer, einige kleinere Fälle ausgenommen, der saubere Erwerb brüderlich getheilt und verpraßt wurde. Die unmittelbare Veranlassung zu den Bubenthaten sollen die Phantastereien Carl May's sein, der hier eine Verehrung genießen soll, die fast an seinen eigenen Geisteszustand grenzt.“
Buch-Titel-Illustrationen von dem Maler Sascha Schneider aus den Jahren 1903 und 1904 für die bis heute beibehaltene „grüne“ Reihe des Karl-May-Verlages (Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Karl-May-Verlages Bamberg) Buch-Titel-Illustrationen von dem Maler Sascha Schneider aus den Jahren 1903 und 1904 für die bis heute beibehaltene „grüne“ Reihe des Karl-May-Verlages (Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Karl-May-Verlages Bamberg) Buch-Titel-Illustrationen von dem Maler Sascha Schneider aus den Jahren 1903 und 1904 für die bis heute beibehaltene „grüne“ Reihe des Karl-May-Verlages (Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Karl-May-Verlages Bamberg)
Buch-Titel-Illustrationen von dem Maler Sascha Schneider aus den Jahren 1903 und 1904 für die bis heute beibehaltene
 „grüne“ Reihe des Karl-May-Verlages (Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Karl-May-Verlages Bamberg)

„Vor diesen Romanen muß öffentlich gewarnt werden.“
„Ueber Dr. Karl May ist ein Streit entbrannt, zu welchem die gesammte katholische Presse jetzt, nachdem derselbe entschieden ist, Stellung nehmen muß. Karl May - mag man über seine Reiseromane urtheilen wie man will, ist ein Mann von großem Talent; das wollen wir gerne zugeben. Auf den Streit, ob die Reiseromane geeignete Jugendlektüre sind oder nicht, wollen wir uns hier nicht weiter einlassen. Karl May hat einen Ruf als Erzähler, wie selten einer; seine Werke werden von allen Volksklassen rein verschlungen.

Und nun erscheinen mit seinem vollen Namen bei einer Dresdener Firma Romane, welche geradezu schandvoll sind. Dieselben erschienen schon anfangs der 80er Jahre theils anonym, theils pseudonym als Colportage-Romane. Jetzt erscheinen sie in neuer Auflage illustrirt unter dem vollen Namen von Dr. Karl May. Vor diesen Romanen muß öffentlich gewarnt werden. Es sind Abenteuer- und Räuberromane der schlimmsten Sorte. Hier wadet Karl May in dem tiefsten Schlamm und beschmutzt geistliche Personen in gemeinster Weise. (...) Eine gewisse Presse hat versucht, Karl May als »Ultramontanen« den Katholiken an die Rockschöße zu hängen. Das ist ein läppischer Versuch; er hat sich allerdings früher mit der größten Bestimmtheit als Katholik ausgegeben, aber er ist Protestant. Er hat nicht allein für katholische Zeitschriften gearbeitet, sondern auch für Rosegger's »Heimgarten«, für den »Guten Kamerad« (Union, Deutsche Verlagsgesellschaft, Stuttgart) und für die Volksbibliothek des »Lahrer hinkenden Boten«. Er hat also rechts und links blauen Dunst zu machen verstanden. In der gleichen Dresdener Verlagsbuchhandlung (Münchmeyer) kommt auch ein katholisches »Erbauungsbuch«, angeblich mit bischöflicher Approbation, neben protestantischen Erbauungsbüchern und neben einer ganzen Colportage-Bibliothek heraus. Dieses katholische »Erbauungsbuch« erscheint in Lieferungen à 50 Pfg. mit schreckbaren Bildern. Dasselbe wird in Altbayern leider sehr viel gekauft; es ist nichts direkt Unkatholisches darin enthalten, aber es ist viel zu theuer; es ist schade um das gute Geld! Es ist höchste Zeit, daß von Seiten des Preßvereins die katholische Colportage organisirt wird, damit dem katholischen Volk sein gutes Geld nicht weiterhin oft für Schund aus der Tasche gelockt wird.“
(Augsburger Postzeitung, Ausgabe vom 17. Juni 1902)

Ganz im Gegensatz zum obigen Artikel in der Augsburger Postzeitung steht eine Verlagsanzeige im „Deutschen Hausschatz“, Heft 2 des 22. Jahrgangs 1895. Dort heißt es unter der Überschrift „Empfehlende Worte Deutscher Bischöfe über Karl May's gesammelte Reiseerzählungen“: „Die hochwürdigsten Bischöfe, Erzbischöfe, Fürstbischöfe von Breslau, Eichstätt, Freiburg, Culm, Mainz, Münster, Osnabrück, Passau, Würzburg haben in ihren persönlichen Schreiben die Schriften Karl May's als in jeder Beziehung empfehlenswerte Bücher für das katholische Haus bezeichnet.
Seine Bischöfliche Gnaden, Herr Dr. Franz Josef Stein, Bischof von Würzburg, schreibt am 9. Dezember 1894: 'Der sprachgewandte Verfasser besitzt in hohem Maße die Gabe, frisch, packend und volkstümlich zu schreiben. Seine in weiten Kreisen so beifällig aufgenommenen Reiseerzählungen haben einen vielseitig belehrenden, sittlich anregenden, stetig interessanten Inhalt, in welchem auch der gesunde Humor zu seinem Rechte kommt. Was dabei besonders zu betonen ist, das ist die christliche Grundlage, auf welcher sie ruhen. Frei von allem sittlich Bedenklichem kommen sie dem Lesebedürfnisse der Zeit entgegen und verdienen so einen Platz in dem Hause der christlichen Familie.' (...)“
Es folgt ein Hinweis auf die bereits erschienenen ersten 15 Bände von „Durch die Wüste“ bis „Old Surehand“.

Kritiker und Moralapostel um 1900
Wie schnell man im Bereich der Dichtung und Erzählungen um 1900 von Moralaposteln oder solchen, die sich dazu berufen fühlten, angegriffen wurde, belegt eine Randnotiz in der Allgemeinen Deutschen Lehrerzeitung im Jahr 1905: „Elsaß-Lothringen. Klerikale Pädagogik. Am bischöflichen Gymnasium in Montigny (bei Metz) las ein Oberlehrer seinen Primanern einige auserwählte Stücke aus Goethes 'Faust' vor. Dadurch angeregt, schafften sich zwei Schüler eine Ausgabe dieser größten deutschen Dichtung an. Die Sache wurde ruchbar. Der betreffende Oberlehrer soll sich einen Verweis zugezogen haben, die beiden Schüler aber wurden aus der Anstalt entfernt, weil – sie verbotene Lektüre besaßen.“
An anderer Stelle schrieb die liberale (nach heutigem Begriff nach links) ausgerichtete Lehrerzeitung mit hintergründiger Ironie und dem Blick auf ultramontan-konservative Gruppen: „Die 'Christl. päd. Blätter' mögen das an den Lehrerbildungsanstalten verwendete Lesebuch von Niedergesäss und Kress nicht leiden, denn es enthält: die 'Legende vom Hufeisen' von Goethe. ( Dieses Gedicht wird als 'geradezu blasphemisch' bezeichnet.) 'Das Mädchen aus der Fremde' von Schiller. (Ein liebend Paar.) 'Der Fischer' von Goethe. (Wegen der Ausdrücke: 'Feuchtes Weib', 'Der Liebsten Gruß'.) - Nun also! (...) Ja, Bauer, das ist ganz was anderes.“

„Schöpfer blutvoller Gestalten“
Im Dritten Reich gehörten die Karl-May-Bücher zu jeder gutsortierten Jugendbücherei.
Sie befanden sich auch in den Bücherschränken mancher Nazigrößen.
Es ist heute wohl kaum bekannt, dass zu den begeisterten Karl-May-Fans auch Hitler gehörte. In seinen Bibliotheken in der Berliner Reichskanzlei, auf dem Obersalzberg und in seiner Münchner Privatwohnung waren die Karl-May-Bände zu finden. Hitler soll angeblich nach der Machtergreifung 1933 nochmals die Bände gelesen und Karl May als den Schriftsteller bezeichnet haben, der ihm die Augen für die Welt geöffnet habe. Auch soll Hitler den Indianerhäuptling Winnetou als das Musterbeispiel eines Kompanieführers empfohlen und beklagt haben, dass an deutschen Schulen die Werke Goethes und Schillers anstelle derer Karl Mays gelesen würden. Wahrscheinlich hat Hitler aber nur die Abenteuerromane Mays gelesen, denn  „Und Frieden auf Erden“ hätte Hitler ganz bestimmt nicht begeistert.
Hans Schemm, bekennender Karl-May-Fan, Kultusminister von Bayern und Reichsleiter des Nationalsozialistischen Lehrerbundes, erklärte zum Thema „Karl May“ auf der Schulungstagung des Gaus Mittelfranken 1934: „Zum deutschen Buben und Mädel gehört mehr als die sogenannte Schulbravheit, nämlich Mut, Entschlußkraft, Schneid, Abenteuerlust und Karl-May-Gesinnung.“
Und der Gauleiter von Sachsen schrieb in dem Vorwort zur Jubiläumsschrift 1913-1938 – 25 Jahre Karl-May-Verlag, Radebeul bei Dresden u.a.: „ Das Volk selbst hat am besten erkannt, wieviel zwingende Gestaltungskraft und sittlicher Gehalt in seinen Schriften liegt. Die Jugend liebt in ihm den Schöpfer blutvoller Gestalten, den Schilderer des edlen heroischen Menschen. So ist der Jugendschriftsteller zugleich zum Jugenderzieher geworden. Mit seinem an Arbeit und Kämpfen reichen Leben hat sich Karl May jederzeit als ein echter Sohn seiner sächsischen Heimat erwiesen. Seine starke Persönlichkeit wird uns ebenso unvergeßlich sein wie das von ihm geschaffene Werk, das unvergänglicher Besitz unserer Volkskultur bleiben wird.“
Allerdings gab es auch Karl-May-Gegner im Dritten Reich. So verfasste der Volksschullehrer Wilhelm Fronemann 1934 eine Denkschrift mit dem Titel „Karl May und die Jugend des Dritten Reiches“, in der er unter anderem schrieb, Karl May sei ein „leidenschaftlicher Verfechter einer weitgehenden Rassenmischung aus ganz sentimentalen Menschlichkeitsgründen“ sowie ein „Verteidiger eines verwaschenen Pazifismus“ gewesen. Und: „Haben wir nicht unsere Schülerbüchereien von Juden, Pazifisten, Marxisten und sonst allem Undeutschen gereinigt?...Karl May paßt zum Nationalsozialismus wie die Faust aufs Auge!“ (Aus: Erich Heinemann, „Karl May paßt zum Nationalsozialismus wie die Faust aufs Auge“, Beitrag im Jahrbuch der Karl-May-Gesellschaft 1982)

Übrigens: In der DDR-Zeitschrift für die Eltern „die neue Schule“ aus dem Jahr 1948, Heft 18, wird zum Thema „Karl May“ unter anderem von dem schon genannten Lehrer Wilhelm Fronemann (ein „Wendehals“?) geschrieben: „Karl May ist im Krieg (2. Weltkrieg) zum Lehrbuch der Partisanenbekämpfung geworden. Noch 1944 wurden von der Heeresleitung für die Partisanenbekämpfung an der Ostfront 4ooo Bände Karl May angefordert. Im ganzen sind 500 000 Bände Karl May als Kriegsausgaben an das Heer ausgegeben worden.“
Fronemann vermutete, dass die raffinierten Quälereien, die Karl May häufig schilderte, auch an den Foltermethoden der SS nicht unschuldig gewesen seien.

Anzeichen eines Klimawandels im Geburtsjahr Karl Mays?
In den biographischen Notizen Karl Mays wird auch das Geburtsjahr 1842 beschrieben. Die Anmerkungen zu den Wetterbedingungen lassen bemerkenswerte Ähnlichkeiten mit heute erkennen. So schreibt der Chronist u. a.: „In diesem Jahr war ein sehr trockener und heißer Sommer. Von der Saatzeit an hat es 6 bis 8 Wochen gar nicht geregnet und ist beinahe den ganzen Sommer in hiesiger Gegend kein Gewitter mit Regen gewesen. Es trat allgemeiner Wassermangel auf, so daß vieles Korn nicht gemahlen werden konnte und daher bloß geschrotet wurde. (...) Das Vieh mußte außerordentlich leiden und viele Rinder wurden fast ganz dürr und mager dahin geschlachtet.“


Alle Texte: Eduard Stenger, Zum Sommerhof 20, 97816 Lohr a.Main, Tel.: 09359-317, e-Mail: eduard.stenger@gmx.net
Alle Fotos: Udo Kleinfelder, Lohr a.Main

Das Lohrer Schulmuseum im Ortsteil Lohr-Sendelbach ist von Mittwoch bis Sonntag und an allen gesetzlichen Feiertagen
 jeweils von 14 bis 16 Uhr geöffnet. Gruppen können auch nach vorheriger Absprache außerhalb der regulären Öffnungszeiten
das Museum besuchen.
 (Kontakt: Eduard Stenger, Zum Sommerhof 20, 97816 Lohr a.Main; Tel. 09352/4960 oder 09359/317, e-Mail: eduard.stenger@gmx.net )

Ernst Huber
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