Sonderausstellung im Lohrer Schulmuseum
 zum „Internationalen Museumstag“ am 20. Mai 2012
Der Eintritt ist am Museumstag (20. Mai 2012)
während der regulären Öffnungszeit frei.

Jeder Besucher erhält ein „Fleißbildchen“.


Das Schulmeisterlein
Aus dem Leben des Volksschullehrers im 19. Jahrhundert


Klassenzimmer um 1900 in der ständigen Ausstellung des Lohrer Schulmuseums: Über dem erhöhten Lehrerpult hängt das Bild des Landesfürsten und das Kruzifix. - „Thron und Altar“ bestimmten den Lebensablauf des Lehrers. (Foto: Kleinfelder, Lohr a.Main)
Klassenzimmer um 1900 in der ständigen Ausstellung des Lohrer Schulmuseums: Über dem erhöhten Lehrerpult hängt das Bild des Landesfürsten und das Kruzifix. - „Thron und Altar“ bestimmten den Lebensablauf des Lehrers. (Foto: Kleinfelder, Lohr a.Main)

1. Der Lehrer in der Karikatur
„Am Sonntag er der Kantor ist, am Montag fährt er seinen Mist, am Dienstag hütet er die Schwein, das arme Dorfschulmeisterlein.“
Das Spottlied vom armen Dorfschulmeisterlein aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entsprach so ganz den Vorstellungen von der Wertigkeit des Volksschullehrers.
Vor allem die konservativen Kräfte setzten den Lehrern zu, und so ist es nicht verwunderlich, dass der Lehrer in der Tagespresse und in den Unterhaltungsblättern ein häufiges Ziel boshafter Karikaturen war.
Dazu nachfolgendes Beispiel, das die Allgemeine Deutsche Lehrerzeitung in der Dezemberausgabe Nr. 28 des Jahres 1884 ihren Lesern zur Kenntnis brachte:
„Der alte Lehrer und Cantor“, (Holzstich 1880; Repro: Udo Kleinfelder, Lohr)
„Der alte Lehrer und Cantor“, (Holzstich 1880; Repro: Udo Kleinfelder, Lohr)
Die allgemeine schwierige Situation der Volksschullehrer wird auch in einem Leitartikel der Bayerischen Lehrerzeitung aus dem Jahr 1880 deutlich:
„Wenn man überschlägt, wie viel Verachtung oder wenigstens Mißachtung in das Wort ‘Schulmeister’ gelegt wird, so möchte man glauben, der Lehrer bekleide ein Amt, das für das öffentliche Wohl völlig gleichgültig, ja eines Mannes geradezu unwürdig sei.“

„Die unverhoffte Schulvisitation“ (durch den Schulrat) – der Lehrer (noch im Schlafrock) hat verschlafen und wird vom  Schulrat getadelt. (Abdruck in einer illustrierten Zeitung 1873, Repro: Udo Kleinfelder, Lohr)

„Die unverhoffte Schulvisitation“ (durch den Schulrat) – der Lehrer (noch im Schlafrock) hat verschlafen und wird vom Schulrat getadelt. (Abdruck in einer illustrierten Zeitung 1873, Repro: Udo Kleinfelder, Lohr)


„Der Lehrer als Karikatur. Es wird uns eine Nummer des den weitverbreiteten 'Dresdner Nachrichten' und anderen Zeitungen als Gratisbeilage beigegebenen 'Witzblattes' zugesandt. Überschrift des betr. Bildes: 'Rangunterschied'. Der 'Witz' selbst: Ein Verwalter stellt dem neuen Gutsherrn das 'Wirtschaftspersonal' mit folgenden Worten vor: 'Das ist der Herr Oberknecht, das sind die Herren Knechte, das ist der Herr Schweinehalter, das ist der Herr Kuhhalter, und das ist – der Schulmeister.'
Nun könnte man glauben, daß hier der Verwalter, der einen so feinen und passenden 'Rangunterschied' zu machen weiß, als der Blamierte dargestellt werden solle, wenn nicht das Bild dieser Annahme widerspräche. Der 'Schulmeister' mit dem weit vorgeschobenen Unterkiefer, der niedrigen Stirn, dem struppigen Haar, den wagenradgroßen Brillengläsern und dem altmodischen Frack ist nämlich eine so erbärmliche Karikatur, daß die Herren 'Knechte' und Genossen mit ihren unsäglich dummen Gesichtern als wahre Gentlemans dagegen erscheinen.
„Oberbayrische Landgarde“ - der Lehrer als vormilitärischer Ausbilder; Karikatur. (Holzstich um 1900; Repro: Udo Kleinfelder, Lohr)
„Oberbayrische Landgarde“ - der Lehrer als vormilitärischer Ausbilder; Karikatur. (Holzstich um 1900; Repro: Udo Kleinfelder, Lohr)

Zeichner und Scribax scheinen den Verstand verloren zu haben – wenn sie welchen zu verlieren gehabt haben. Jedenfalls haben sie einen hübschen Beitrag zum Ergötzen und zur Bildung des Volkes geliefert.“
Die negative Bewertung des Volksschullehrers hatte vielerlei Gründe und ist heute wohl auch ein Beispiel dafür, dass vor allem konservativ-ultramontane Gruppierungen in einer besseren Schulbildung des einfachen Volkes eine politische Gefahr für den Staat insgesamt sahen (also etwa: „Je dümmer, umso besser“).
Der nachfolgende Text „Die Götter müssen den gehasst haben, den sie zum Lehrer machten.“ belegt diesen Trend im 19. Jahrhundert. Er ist zwar vor allem auf Bayern bezogen, lässt sich aber auch in ähnlicher Weise auf die anderen Länder Deutschlands (und Europas) übertragen.

2. „Die Götter müssen den gehasst haben, den sie zum Lehrer machten.“
Die Entwicklung des Lehrerstandes im 19. Jhd.
Unter dem Einfluss der Aufklärung und verschiedener Schulreformen hatte das Volksschulwesen bis in die ersten Jahre des 19. Jahrhunderts einen beachtlichen Aufschwung erfahren. Freisinnige Verordnungen erwarteten von der Volksschule „Bildung der Nation und Aufklärung des Volkes über seine heiligsten und wichtigsten Angelegenheiten“.
Mit dem Regierungsantritt von Ludwig I. im Jahr 1825 kamen nun auch die seit dem Wiener Kongress erstarkenden restaurativen Kräfte in Bayern zum Zuge. Diese hielten es zur Erzielung einer „besseren Lehrerbildung“ für notwendig, die Leitung und Oberleitung der Seminare in die Hände von Theologen zu legen. Den Lehrern wurde nun auch unter anderem der Besuch von Wirtshäusern und Tanzböden untersagt, ebenso die Ausübung der Jagd sowie das Tragen von Bärten jeder Art als Zeichen eines hochmütigen, widerspenstigen Geistes. Zu den bayerischen Verhältnissen bemerkte der Lehrer Reinhard als Mitglied des deutschen Parlaments: „So gibt es ein deutsches Land, es heißt Bayern, wo der arme Volksschullehrer kein anderes Heimatsrecht hat , als das des Grabes.“
Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass gerade die bayerischen Lehrer von der Freiheitsbewegung 1848 begeistert waren und sich ihr zu großen Teilen aktiv anschlossen. Ein schwerer Fehler, wie sich nach dem Scheitern der Märzrevolution und der folgenden reaktionären Phase zeigen sollte.
Der 1811 in Waldzell geborene Lehrer Johann Georg Söder, - seit 1835 an der Lohrer Volksschule und seit 1875 Ehrenbürger von Lohr am Main - mit seiner letzten Schulklasse 1883; (Aufnahme vor der Lohrer Pfarrkirche; Repro: Udo Kleinfelder, Lohr)
Der 1811 in Waldzell geborene Lehrer Johann Georg Söder, - seit 1835 an der Lohrer Volksschule und seit 1875 Ehrenbürger von Lohr am Main - mit seiner letzten Schulklasse 1883; (Aufnahme vor der Lohrer Pfarrkirche; Repro: Udo Kleinfelder, Lohr)Über die Ernennung zum Ehrenbürger berichtete der Lohrer Anzeiger am 2. November 1875: „Die Jubelfeier unseres verehrten Herrn Lehrers Söder, welcher seit 40 Jahren ununterbrochen an der hiesigen Knabenvolksschule wirkt, fand gestern in programmgemäßer Weise statt. Vormittags 10 Uhr wurde ein solenner Dankgottesdienst abgehalten, welchem die HH. Beamten, städt. Behörden, sowie eine überaus große Anzahl Andächtiger beiwohnte; der hiesige Gesangverein brachte hiebei eine sehr gelungene Messe zur Aufführung. Hierauf wurde der Hr. Jubilar auf das Rathaus geleitet, woselbst Herr rechtsk. Bürgermeister Keßler mit erhebenden Worten der vielfachen Verdienste desselben gedachte und ihm Namens der Stadtgemeinde das kunstvoll ausgeführte Diplom als Ehrenbürger, sowie einen silbernen Pokal als Ehrengabe überreichte. (...) Abends 7 Uhr fand sodann in den Weigand'schen Gartenlokalitäten, die in einer Weise festlich dekorirt waren, wie wir sie daselbst noch nie gesehen, das von den ehemaligen Schülern des Hr. Lehrers Söder veranstaltete Festbankett statt (...)“

Für ihre Teilnahme wurden die Lehrer mit Verwarnungen, teils mit Versetzungen, teils mit Entlassungen und „Ehrenbezeichnungen“ wie „verschrobene Schulmeister, böse Dämonen, studierte Bauern, Wühler“ ect. belegt. Die Folgen dieser reaktionären Maßnahmen fanden auch ihren deutlichen Niederschlag im bayerischen so genannten „Normativ für die Bildung der Schullehrer“ vom 15. Mai 1857. Unter dem Motto „Der Schullehrer muß innerlich und äußerlich ein kleiner Mann sein“ sollte besagtes Normativ „die Gebrechen der Charakterbildung der Lehrer“ durch Reduzierung ihrer Bildung und Ausbildung beseitigen. Unter diesem Gesichtspunkt wurde der Lehrerschaft die Lektüre von liberalen, demokratischen und deutschnationalen Schriften als staatsfeindlich verboten und die Privatlektüre derart unter die Kontrolle der geistlichen Schulbehörden gestellt, dass den Inspektoren nicht nur das Recht zugesprochen, sondern sogar die Pflicht auferlegt wurde, auch die Privatbibliotheken der Lehrer zu durchsuchen.
Zu diesen staatlich verordneten Repressalien gesellte sich zudem die wirtschaftliche Not der Lehrer. So schreibt die Satirezeitschrift „Fliegende Blätter“ 1850 in einem fingiertem Gespräch zwischen einem Gutsverwalter und einem Lehrer: „Seine hochgräfliche Gnaden haben Höchstihre Ansicht gegen mich ausgesprochen, daß Hochdieselben das Ideal ihrer Schullehrer nur in Persönlichkeiten finden können, welche durch gänzliche Entsagung und Verzicht auf alle überflüssigen Bedürfnisse der ihnen anvertrauten Jugend als ein Beispiel dastünden, wie wenig der Mensch zu seiner Existenz bedürfe. Seine hochgräfliche Gnaden haben mir besonders noch befohlen, Hochdieselben mit allen Klagereien der Lehrer ein für alle Mal zu verschonen.“ Die Besoldung war in der Tat erbärmlich. 1850 verdiente der Sackenbacher Schullehrer Friedrich Eicheslbacher bei freier Wohnung 200 Gulden im Jahr. Dabei kostete ein Laib Roggenbrot zu sechs Pfund 15 Kreuzer, ein Bier 5 Kreuzer, ein Pfund Mastochsenfleisch 10 Kreuzer und ein Jahresabonnement des Lohrer Anzeiger-Blattes 2 Gulden und 40 Kreuzer (1 Gulden= 60 Kreuzer). Lehrerinnen verdienten etwa 20 % weniger als ihre männlichen Kollegen und waren zu zölibatärem Leben verpflichtet. Ein Pfarrer hatte dagegen ein Jahresgehalt von 600 Gulden, ein Arzt um die 4.000 Gulden und Minister verdienten 12.000 Gulden.
„Die Lehrer werden leuchten wie des Himmels Glanz.“ Erinnerungsblatt „Andenken an Johannes Lindner, Lehrer von Elberfeld“, 1872. – ehrender Nachruf für einen beliebten Lehrer. (Repro: Udo Kleinfelder, Lohr)
„Die Lehrer werden leuchten wie des Himmels Glanz.“ Erinnerungsblatt
„Andenken an Johannes Lindner, Lehrer von Elberfeld“, 1872.
 – ehrender Nachruf für einen beliebten Lehrer. (Repro: Udo Kleinfelder, Lohr)
Bierkrugdeckel (um 1900) mit der Aufschrift: „Es lebe der Herr Lehrer!“ – eine ungewöhnliche Ehrung für den betreffenden Lehrer. Unabhängig von den boshaften Attacken konservativer Kreise gegen den Lehrerstand genossen viele Lehrer, vor allem auf dem Lande, hohes Ansehen. Viele Vereinsgründungen und dörfliche  Modernisierungsmaßnahmen wurden durch Lehrer auf den Weg gebracht. (Aus der ständigen Ausstellung des Lohrer Schulmuseums; Foto: Eduard Stenger, Schulmuseum Lohr)
Bierkrugdeckel (um 1900) mit der Aufschrift: „Es lebe der Herr Lehrer!“
– eine ungewöhnliche Ehrung für den betreffenden Lehrer. Unabhängig von den boshaften Attacken konservativer Kreise gegen den Lehrerstand genossen viele Lehrer, vor allem auf dem Lande, hohes Ansehen. Viele Vereinsgründungen und dörfliche  Modernisierungsmaßnahmen wurden durch Lehrer auf den Weg gebracht. (Aus der ständigen Ausstellung des Lohrer Schulmuseums;
Foto: Eduard Stenger, Schulmuseum Lohr)

In Anbetracht dieser Situation kam der Pfarrer von Heidenfeld (bei Schweinfurt), Pankraz Heim, 1852 in einem Schreiben an die Regierung des Untermainkreises zu dem Schluss: „Die Götter müssen den gehasst haben, den sie zum Lehrer machten.“
Übrigens: 1883 schrieb die Allgemeine Deutsche Lehrerzeitung unter der Rubrik „Kurze Mitteilungen“: „Vor einiger Zeit beschlossen die Gemeindekollegien zu Lohr (in Unterfranken), die Gehalte der städtischen Beamten, also auch der Lehrer, um 10 % zu kürzen. Diese Nachricht machte viel Aufsehen und wurde in der bayerischen Presse vielfach kommentiert. Nunmehr aber kann die 'Rhön- u. Saalepost' mitteilen, daß die vorgesetzte Verwaltungsbehörde, das Königl. Bezirksamt Lohr, dem Beschlusse der Kollegien (heute der Stadtrat) die Genehmigung versagt hat.“
14 Jahre später griff die überregionale Lehrerzeitung nochmals ein Thema aus dem Lohrer Raum auf und schrieb: „In Pflochsbach (bei Lohr a.Main) in Unterfranken muß der Lehrer und Gemeindeschreiber nach der jüngst erfolgten gerichtlichen Feststellung zwei Jahre auf seinen Gehalt warten, bis das hierfür nötige Holz aus dem kleinen Gemeindewald geschlagen ist. Er muß sogar, da die Armenpflege nicht die nötigen Mittel besitzt, die Schulutensilien für die armen Kinder auf seinen Namen borgen. (...). Pflochsbach liegt in keiner schlechten Gegend, aber die guten Wiesengründe, Äcker und Waldungen gehören dem bekannten Fürsten zu Löwenstein.“

Im gleichen Jahr schrieb die Lehrerzeitung in den „Kurzen Mitteilungen“:
„England. Ein bedeutender englischer Staatsmann sagt: 'Am besten bezahlen wir die, die uns morden, die Generale; dann die, welche uns die Zeit vertreiben, Sänger und Tänzer, Musiker und Schauspieler; endlich am schlechtesten die, welche uns im Schweiße ihres Angesicht unterrichten.' “
Die schlechte Besoldung und geringe Wertschätzung der Lehrer war also kein typisch deutsches Merkmal, sondern länderübergreifend.

„Machen Sie meine Lehrer nicht zu gescheit.“
Mit dem wirtschaftlichen Aufschwung und dem Voranschreiten der industriellen Revolution war Anfang der 1860er Jahre ein Neuerstarken des bürgerlichen Liberalismus in Deutschland verbunden. Die Reaktionspolitik der 50er Jahre wich nach und nach neuen Reformbestrebungen in allen Bereichen des bürgerlichen Lebens. Unter diesem Eindruck war auch 1861 der bayerische Lehrerverein gegründet worden, der eine allgemeine Verbesserung der Lebenssituation der Lehrer herbeiführen und eine Lockerung der staatlichen Repressalien erwirken wollte. Fanden diese Bestrebungen im liberalen Bürgertum breite Zustimmung, so sprachen sich konservative Kreise extrem dagegen aus. Besonders die konservative Presse bombardierte die Lehrerschaft geradezu mit Beschimpfungen.
So behauptete das „Korrespondenzblatt für innere Mission“ in Neuendettelsau 1865: „Seit man den Lehrern Wohnungen gibt, die sie nicht zu möbilieren vermögen; seit man ihnen Kreise anweist, in denen sie sich weder innerlich noch äußerlich zu bewegen verstehen, seitdem sind diese gespreizten Halbwisser zu Karikaturen geworden, die um so lächerlicher werden, je mehr sie sich über das Lächeln anderer erbosen.. Das „Augsburger Wochenblatt für den christlichen Verein“ wies auf die naturgemäß niedere und beschränkte Berufstätigkeit der Lehrer hin und glaubte, sie durch Weber, Hirten oder Schneider ersetzen zu können. Das „evangelische Schulblatt“ sprach den Mitgliedern des Lehrervereins Mannesehre, Lehrertreue und Christenpflicht ab und verwies die Lehrer bei ihren Forderungen nach besserer Besoldung auf die Hilfe Gottes. Die „Pfälzer Post“ schrieb 1879: „Was sollen wir zu jenen verkrüppelten, ungeheuerlichen Gestalten sagen, die jetzt so manchmal unter uns herumwandeln, mit hochmütig verächtlichen Mienen und geschwollenen Wesen, als hätten sie die Welt geschaffen. (...) So ein liberales Schulmeisterlein ist mitunter gar ungeheuer naseweis und frech und glaubt, weiß der Himmel welch großer Gelehrter zu sein, wenn er vor den Schulkindern das kirchliche Dogma für Dummheit erklärt, über die Jesuiten schimpft, den Bismarck verhimmelt oder gar die Bibel korrigiert.“ Bezeichnungen wie „liberale Kirchturmköpfe“, „ABC-Professoren“, „nichts lernendes und nichts vergessendes Schulmeisterlein“ oder „dünkelhafte Kirchenfeinde“ waren an der Tagesordnung.
In der Tat waren die konservativen Kräfte stark genug, für lange Zeit eine Besserstellung des Lehrerstandes zu verhindern. Noch 1900 erhielt ein Lehrer im Bamberger Raum etwa 800 Mark im Jahr. „Trostlos“ lautete der Kommentar der „Münchner Neuesten Nachrichten“: „In diesem Jahr kostet ein Wintermantel  zwischen 12 und 45 Mark, ein Päckchen Zwieback zwei Mark, ein Kilogramm Butter 1,40 Mark, ein Maß Bier 26 Pfennig.“
Sogar Prinzregent Luitpold meinte 1905 bei einem Besuch des Freisinger Lehrerseminars zum dortigen Direktor: „Machen Sie meine Lehrer nicht zu gescheit“, und gab damit der Festgefahrenheit des alten Lehrerbildes Ausdruck. Erst mit dem Einzug der Demokratie in Deutschland im Jahr 1919, der Aufhebung der geistlichen Schulaufsicht und der Anerkennung der Lehrer als reguläre Beamte mit entsprechender Besoldung begannen für die Lehrerschaft in Bayern und auch in den anderen Ländern Deutschlands bessere Zeiten.
Bleibt noch anzumerken, dass, unabhängig von den üblen Attacken konservativ-ultramontaner Gruppierungen gegen den Lehrerstand, im 19.Jahrhundert viele Lehrer in ihrem Wirkungskreis hohes Ansehen genossen und mit den verschiedensten Ehrungen ausgezeichnet wurden. Vor allem auf dem Land waren Lehrer, oft auch in Ehrenämtern usw., Impulsgeber für die wirtschaftliche und kulturelle Weiterentwicklung der Dörfer.
„Ein verkanntes Genie“ - die Lehrerkarikatur auf der Schulwandtafel hat schmerzhafte Folgen für den kleinen Karikaturisten. (Holzstich um 1890; Repro: Udo Kleinfelder, Lohr)
„Ein verkanntes Genie“ - die Lehrerkarikatur auf der Schulwandtafel
hat schmerzhafte Folgen für den kleinen Karikaturisten.
(Holzstich um 1890; Repro: Udo Kleinfelder, Lohr)
Der „konservative“ Lehrer – der Rohrstock war sein wichtigstes Erziehungsmittel. Titel des Bildes: „Eine schwäbische Dorfschule“, (Illustrationsholzstich, 1875, Repro: Udo Kleinfelder, Lohr)
Der „konservative“ Lehrer – der Rohrstock war sein wichtigstes
Erziehungsmittel. Titel des Bildes: „Eine schwäbische Dorfschule“, (Illustrationsholzstich, 1875, Repro: Udo Kleinfelder, Lohr)

Mit sechs Themenkreisen und in Verbindung mit entsprechenden Exponaten in der ständigen Ausstellung des Schulmuseums ermöglicht die Sonderausstellung, die bis einschließlich 3. Juni 2012 zu sehen ist, vielseitige Einblicke in die damalige Lebenswelt der Lehrer.

Nachtrag: Auch diese Ausstellung steht ganz in der Tradition des Lohrer Schulmuseums. Wenn der Begriff "Schulmuseum" in der Regel mit dem volkskundlichen Aspekt der "Schule früher", den alten Bänken und Schiefertafeln gleichgesetzt wird, so will das Lohrer Schulmuseum primär den gesellschaftlich-politischen Aspekt der Schule und ihren Stellenwert in der Gesellschaft aufzeigen: die Schule als Ort von Indoktrination und Manipulation, die Schule als Marionette der Mächtigen.

Das Lohrer Schulmuseum im Ortsteil Lohr-Sendelbach ist von Mittwoch bis Sonntag und an allen gesetzlichen Feiertagen
 jeweils von 14 bis 16 Uhr geöffnet. Gruppen können auch nach vorheriger Absprache außerhalb der regulären Öffnungszeiten
das Museum besuchen.
 (Kontakt: Eduard Stenger, Zum Sommerhof 20, 97816 Lohr a.Main; Tel. 09352/4960 oder 09359/317, e-Mail: eduard.stenger@gmx.net )

Ernst Huber
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