Neues aus dem Lohrer Schulmuseum:
Eine interessante Schenkung aus den USA

Am 28.05.2012 schrieb Anna Quastler per e-Mail aus Kalifornien an den Leiter des Lohrer Schulmuseums:
„Sehr geehrte Herr Stenger,
mein Vater Walter Albert Lothar Sensburg war ein bayerischer Kadett und hatte eine Sammlung von eingerahmten Kadetten-Bildern (siehe Fotos im Anhang). Sie sind von der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und Anfang des 20. Jahrhunderts. Hätten Sie daran Interesse?
Mein Sohn und ich sind demnächst auf einer Deutschland-Reise und wir werden Sie nächste Woche anrufen, aber es wäre nett, wenn Sie auf meine Email antworten würden. Anna Quastler, geb. Sensburg“

Anna W. Quastler, Tochter von Walter Albert Lothar Sensburg und Enkel Gordon A. Babst vor dem Eingang des Lohrer Schulmuseums am 7. Juni 2012
Anna W. Quastler, Tochter von Walter Albert Lothar Sensburg und Enkel Gordon A. Babst vor dem Eingang des Lohrer Schulmuseums am 7. Juni 2012
von links vor dem Lohrer Schulmuseum: Gordon Babst, heute Professor für Politische Philosophie an der CHAPMAN-UNIVERSITÄT in Orange, Alka Singh und ihr Ehemann Ramesh Singh, ebenfalls Professor an der CHAPMAN-UNIVERSITÄT in Orange, zur Zeit beim Max Planck Institut/Mainz, beim zweiten Besuch des Museums von Herrn Babst am 11 Juli 2012. Frau und Herr Singh waren sehr beeindruckt vom Schulmuseum und erklärten, sie hätten noch nie ein derartiges Museum gesehen, aber gleich verstanden, worum es ginge.
von links vor dem Lohrer Schulmuseum: Gordon Babst, heute Professor für Politische Philosophie an der CHAPMAN-UNIVERSITÄT in Orange, Alka Singh und ihr Ehemann Ramesh Singh, ebenfalls Professor an der CHAPMAN-UNIVERSITÄT in Orange, zur Zeit beim Max Planck Institut/Mainz, beim zweiten Besuch des Museums von Herrn Babst am 11 Juli 2012. Frau und Herr Singh waren sehr beeindruckt vom Schulmuseum und erklärten, sie hätten noch nie ein derartiges Museum gesehen, aber gleich verstanden, worum es ginge.

Walter Albert Lothar Sensburg: rechts (mit Pferden) als Leutnant 1915 im Ersten Weltkrieg; Mitte: zu Beginn des Zweiten Weltkriegs; links: Kopffoto 1943
Walter Albert Lothar Sensburg: rechts (mit Pferden) als Leutnant 1915 im Ersten Weltkrieg; Mitte: zu Beginn des Zweiten Weltkriegs; links: Kopffoto 1943
Nach einer umgehenden Rückmeldung besuchte Frau Quastler mit ihrem Sohn Gordon Babst, heute Professor für Politische Philosophie an der CHAPMAN-UNIVERSITÄT in Orange, Kalifornien, am 7. Juni das Lohrer Schulmuseum, das ihnen offensichtlich so gut gefiel, dass sie sich bereit erklärten, die Bildersammlung schenkungsweise dem Lohrer Schulmuseum zu überlassen. Bei einem zweiten Besuch am 11 Juli 2012, zusammen mit einem weiteren Professor aus India, zur Zeit beim Max Planck Institut/Mainz, brachte Herr Babst die angekündigten Bilder und einen kleinen Schaukasten mit Zinnfiguren, darstellend die verschiedenen Uniformierungen/Bewaffnungen der bayerischen Kadetten von 1754 bis zur Auflösung 1920, mit.
Der Bitte des Museumsleiters um einige schriftliche Informationen entsprachen Frau Quastler und ihr Sohn nach dessen Rückkehr in die USA am 21. Juli per e-Mail, in der Frau Quastler, geb. Sensburg; schrieb: „Die Sammlung von alten Kadettenbildern habe ich von meinem Vater Walter Albert Lothar Sensburg (1896-1980) geerbt.
Altkolorierte „Skizzen aus dem Cadetten-Leben“, gezeichnet von Marquart Freiherr von Leoprechting, herausgegeben 1890: rechte Gruppe: „Zu Tambosi! Ausgangstag!“, um 1850 (wohl auf dem Weg in ein Cafe); links ein „Eleve“ (Schüler der ersten oder zweiten Klasse an der Kadettenschule); rechts ein „Kadett“ (Schüler ab der dritten Klasse); linke Gruppe: „In Urlaub mit Handgepäck“, um 1890
Altkolorierte „Skizzen aus dem Cadetten-Leben“, gezeichnet von Marquart Freiherr von Leoprechting, herausgegeben 1890: rechte Gruppe: „Zu Tambosi! Ausgangstag!“, um 1850 (wohl auf dem Weg in ein Cafe); links ein „Eleve“ (Schüler der ersten oder zweiten Klasse an der Kadettenschule); rechts ein „Kadett“ (Schüler ab der dritten Klasse); linke Gruppe: „In Urlaub mit Handgepäck“, um 1890Der 1897 gestorbene Oberstleutnant a. D. Marquart Freiherr von Leoprechting war von 1852 bis 1859 Schüler (Kadett) des Königlich Bayerischen Kadetten-Corps.

Er war in München geboren und später in der Bayerischen Kadettenschule von 1909-1914, danach als Leutnant im Ersten Weltkrieg. Es war sein Traum Philosophie zu studieren an der Würzburger Universität, aber die politische Situation in Deutschland hatte alles geändert. Darum war er wieder (nach dem Ersten Weltkrieg) in die deutsche Reichswehr, später Wehrmacht, eingetreten und war in der militärischen Abwehr, zuletzt Oberst, bis zum Ende des Krieges tätig. Er hat immer sehr begeistert über seine Zeit als Kadett gesprochen. Sein Sinn von Pflicht und Ehre war nicht vereinbar mit der Ideologie der Nazis, und so sympathisierte er mit den Männern aus dem Umfeld des Widerstandes gegen Hitler. Mein Vater ist nicht nach den Vereinigten Staaten ausgewandert. Er ist in München geboren, hat sein ganzes Leben in Deutschland verbracht (außer den Zeiten, in denen er im Militär-Dienst wo- anders war), und ist im Sensburg-Familiengrab in Münchener Nordfriedhof begraben worden.
Zinnfiguren-Schaukasten, darstellend die verschiedenen Uniformierungen/Bewaffnungen der bayerischen Kadetten von 1754 bis zur Auflösung 1920.
Zinnfiguren-Schaukasten, darstellend die verschiedenen Uniformierungen/Bewaffnungen der bayerischen Kadetten von 1754 bis zur Auflösung 1920.

Nach dem Tod meiner Mutter (seiner Frau, die 1996 gestorben ist) habe ich die Kadettenbilder nach Amerika gebracht. So viele wie möglich haben wir aufgehängt, und die anderen verpackt. Eines Tages haben wir die Idee gehabt, dass die Bilder irgendwo ausgestellt werden sollten – weil sie meinem Vater so viel bedeutet hatten. Im Internet haben wir nach einem guten Platz gesucht, und nach einigen Anfragen haben wir uns für Lohr entschieden. Wir waren sehr beeindruckt von dem, was wir von Ihnen im Internet erfahren haben.
Über seine Eindrücke im Lohrer Schulmuseum fügte Herr Babst (Enkel von Herrn Sensburg) hinzu:
„Als ein Professor der Politischen Wissenschaft (Politische Philosophie ist mein Hauptfach) versuche ich immer die politische Aufmerksamkeit meiner Studenten zu wecken. Natürlich denken viele, dass sie alles schon ganz klar wissen und sie glauben nicht, dass sie schon beeinflusst worden sind oder beeinflussbar sind. Wenn sie nur das Schulmuseum in Lohr besuchen könnten, würde es eine Aufklärung geben! Dann würde es ihnen klar werden, dass ihre politischen Ansichten zum großen Teil das Ergebnis der Lehren in der Schule sind. Das wird im Schulmuseum in Lohr in einzigartiger Weise offenbar.
Die Ausstellung in dem Schulmuseum ist so sorgfältig zusammengestellt, und der ideologische Einfluss des Staates ist ganz durchsichtig, dass ein Besucher, von welchem Land er auch kommen mag, keine Schwierigkeiten haben würde, es wahrzunehmen.“
Anmerkung: Die zwölf altkolorierten Bilder und der Schaukasten sind eine interessante Ergänzung der seit 2011 in der ständigen Ausstellung des Museums zu sehenden Einheit: Erinnerung an eine fast vergessene Schule – Das Bayerische Kadettencorps 1756-1920
Allgemeines zum Bayerischen Kadettencorps: Das 1756 (einige Geschichtsquellen datieren die Gründung auf 1774) gegründete und mehrmals reformierte Kadettencorps war ursprünglich ein Versuch, die sog. Ettaler Ritterakademie weiterzuführen und sollte neben der militärischen Erziehung auch zur Heranbildung einer gesellschaftlich-politischen Elite beitragen. Das Eintrittsalter schwankte zwischen 10 und zwölf Jahren, die Schulzeit dauerte acht Jahre. Gemäß einer Reorganisation im Jahr 1851 wurde das Eintrittsalter in das Kadettencorps auf 12 bis 15 Jahre festgelegt, die Schulzeit auf sechs Jahre. Als „Eleven“ wurden die Schüler der 1. und 2. Klassen bezeichnet, die Schüler der folgenden Klassen hießen „Kadetten“. Ab 1868 entsprach der Abschluss an der sechsklassigen Kadettenschule dem des Realgymnasium-Abiturs und ermöglichte auch den Übergang in zivile Berufe. Das Ende der Kadettencorps-Schule kam mit dem verlorenen 1. Weltkrieg. Die Siegermächte verlangten im Friedensvertrag von Versailles „Dispersion“ (Auflösung), und so wurde das Bayerische Kadettencorps, in dem von 1756 bis 1920 etwa 5000 Zöglinge eine umfassende (natürlich vor allem militärisch ausgerichtete) Allgemeinbildung erworben hatten, am 1. April 1920 aufgelöst.

Das Lohrer Schulmuseum im Ortsteil Lohr-Sendelbach ist von Mittwoch bis Sonntag und an allen gesetzlichen Feiertagen jeweils von 14 bis 16 Uhr geöffnet. Gruppen können auch nach vorheriger Absprache außerhalb der regulären Öffnungszeiten das Museum besuchen. (Kontakt: Eduard Stenger, Zum Sommerhof 20, 97816 Lohr a.Main; Tel. 09352/4960 oder 09359/317, e-Mail: eduard.stenger@gmx.net )
Ernst Huber
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