„Ein Volk, ein Reich, ein Führer!“
Was die Nazis unter einem Wahlkampf vor 75 Jahren verstanden.
Aus dem Archiv des Lohrer Schulmuseums in Unterfranken/Bayern
(Wichtiger Hinweis: Die Fotos zeigen originale Bilder, Dokumente usw. aus der Zeit von 1933 bis 1945.
Einige Fotos tragen nationalsozialistische Symbole
Alle Fotos dienen ausschließlich der staatsbürgerlichen Aufklärung und nicht einem
propagandistischen Zweck im Sinne des § 86 und 86a StGB.)


„Mit Ausnahme ganz weniger Landesverräter und berufsmäßiger Nörgler hat das deutsche Volk sich gestern mit überwältigender Mehrheit zu seinem Deutschtum bekannt“, teilte der Lohrer NS-Ortsgruppenleiter per Inserat in der Lohrer Zeitung am 11. April 1938 der Bevölkerung mit. Gleichzeitig forderte er die Lohrer aus „Anlaß des gewaltigen Sieges“ zur Teilnahme an einem abendlichen Fackelzug durch die Stadt auf.
Wahlkampf in Lohr 1938 – Blick in den unteren Teil der „Adolf-Hitler-Straße“ (Hauptstraße). Bemerkenswert die Wahlslogans: „Mit dem Führer in die Freiheit“, „Treue um Treue“.
Wahlkampf in Lohr 1938 – Blick in den unteren Teil der „Adolf-Hitler-Straße“ (Hauptstraße). Bemerkenswert die Wahlslogans: „Mit dem Führer in die Freiheit“, „Treue um Treue“.
Wahlkampf in Lohr 1938 – Die Lohrtorstraße mit Blick in Richtung Innenstadt und dem Spruchband „Lohr grüßt seinen Gauleiter“.
Wahlkampf in Lohr 1938 – Die Lohrtorstraße mit Blick in Richtung Innenstadt und dem Spruchband „Lohr grüßt seinen Gauleiter“.
Der „Plan für den Staatsbesuch des Gauleiters und Regierungspräsidenten Dr. Hellmuth am 4. April 1938 im Bezirk Lohr“ sah folgenden Ablauf in Lohr vor: „Der Gauleiter fährt durch Lohr um 10.45 Uhr, um 12 Uhr und um 13.15. Er berührt in der Hauptsache  nur die Partensteiner Straße, die Adolf-Hitler-Straße, die Turmstraße und die Vorstadtstraße. 13.15 Uhr Empfang auf dem Marktplatz und Begrüßung durch Pg. (=Parteigenosse) Dr. Wolpert. Auf dem Marktplatz treten an: die Politischen Leiter, die Gliederungen der Partei, die Behörden mit den Amtsvorständen. 13.30-15 Uhr Mittagspause, Standkonzert der SA-Standarten-Kapelle auf dem Marktplatz. 15 Uhr Abfahrt des Gauleiters.
Bei der am 10. April 1938 stattgefundenen Wahl hatten im Stimmbezirk Lohr bei 24 698 abgegebenen gültigen Stimmen nur 174 Wähler die NS-Regierungsvorlage abgelehnt. 99,3 Prozent der Wähler des Stimmbezirks hatten sich also in dem von dem Regime gewünschten Sinn entschieden.
Unter dem Slogan „Ein Volk – ein Reich – ein Führer“ hatten die Nazis zu einer Reichstagswahl aufgerufen, die die bisherige NS-Politik bestätigen und den Anschluss Österreichs an Deutschland absegnen sollte. Die Nazis erhofften sich durch einen möglichst positiven Ausgang der Wahl auch einen nachhaltigen Eindruck im Ausland. Ein Risiko ging man dabei kaum ein, da es sich um eine Wahl mit „Einheitsliste“ handelte, die Wähler konnten also nur für oder gegen das NS-Regime stimmen, typisch für totalitäre Systeme.
Der Gauleiter Dr. Hellmuth wird in Partenstein von den örtlichen Parteigenossen begrüßt. (Das Foto könnte auch aus den Jahren 1933 oder 1934 stammen.)
Der Gauleiter Dr. Hellmuth wird in Partenstein von den örtlichen Parteigenossen begrüßt. (Das Foto könnte auch aus den Jahren 1933 oder 1934 stammen.)
Die NS-Propagandisten wollten natürlich den totalen Erfolg und führten einen sehr effektiven Wahlkampf auf allen Ebenen, der auch in Lohr das tägliche Geschehen der Vorwahlzeit bestimmte.
So schrieb die Lohrer Zeitung am 4. April 1938: „Schon am 10. April wollen wir unsere Dankbarkeit unter Beweis stellen, wenn wir an der Wahlurne, die uns nach des Führers Worten Dankopferaltar der Nation sein soll, aus vollstem Herzen unsere 'Ja'-Stimme geben. Seinen unerschütterlichen Glauben an Großes und Hehres wollen wir uns zu eigen machen, ihm wollen wir nachfolgen in das ewige großdeutsche Reich.“
In den Wahlkampf einbezogen wurden auch die Schulen. Der Lohrer Bezirksschulrat teilte den ihm unterstellten Schulen in einem Rundschreiben am 26. April 1938 mit: „Der Herr Gauleiter und Regierungspräsident Dr. Hellmuth stattet am Montag, den 4. April 1938 zur Vorbereitung der mainfränkischen Bevölkerung auf die Volksabstimmung und Reichstagswahl folgenden Gemeinden einen Staatsbesuch ab:
 I. Wiesthal vormittags 9.00 Uhr,
 II. Rothenfels vormittags 10.45 Uhr,
III. Steinbach mittags 12.15 Uhr.
Zu dem Empfang in Wiesthal treten die Schüler der Volks- und Berufsschulen in Wiesthal, Habichsthal, Neuhütten und Krommenthal, in Rothenfels die von Rothenfels, Bergrothenfels, Neustadt a.M. und Erlach und in Steinbach die von Steinbach, Halsbach, Sendelbach und Lohr mit sämtlichen Lehrern und Lehrerinnen an.
Die Schulklassen in Partenstein und Rodenbach nehmen vormittags und die von Sackenbach, Neuendorf und Langenprozelten nachmittags um 15.00 Uhr in ihren Orten Spalieraufstellung bei der Durchfahrt des Herrn Gauleiters.
Die an dem Empfang teilnehmenden Schulklassen haben an dem Tag schulfrei. Dies ist auch für die klösterlichen Lehrkräfte Dienstpflicht.
Wahlkampf in Lohr 1938 – Die Vorstadtstraße mit dem Spruchband „Deine Stimme dem Führer“, darunter eine Mutter mit ihren Töchtern, diese in der Uniform der „Jungmädel“ bzw. des „BDM“.
Wahlkampf in Lohr 1938 – Die Vorstadtstraße mit dem Spruchband „Deine Stimme dem Führer“, darunter eine Mutter mit ihren Töchtern, diese in der Uniform der „Jungmädel“ bzw. des „BDM“.
Wahlkampfplakat 1938. Die Volkabstimmung über den Anschluss Österreichs war verbunden mit der Neuwahl eines Reichstags per Einheitsliste. Wer für den Anschluss Österreichs stimmte, wählte automatisch die NS-Regierung wieder. Mit über 99% der Ja-Stimmen brachte die Wahl den Nazis das gewünschte Ergebnis.
Wahlkampfplakat 1938. Die Volkabstimmung über den Anschluss Österreichs war verbunden mit der Neuwahl eines Reichstags per Einheitsliste. Wer für den Anschluss Österreichs stimmte, wählte automatisch die NS-Regierung wieder. Mit über 99% der Ja-Stimmen brachte die Wahl den Nazis das gewünschte Ergebnis.
Lehrerschaft und Schule legen damit ein überwältigendes Bekenntnis zu dem großdeutschen Reich unseres Führers ab. Heil Hitler!“
Am 8. April 1938 erinnerte der Lohrer Bezirksschulrat nochmals mit dem Rundschreiben „Wahltag ist Danktag“ seine Schulleitungen an die bevorstehende Wahl: „Das 1000 jährige deutsche Sehnen ist verwirklicht: unser gottbegnadeter Führer Adolf Hitler hat Österreich, das Land seiner Jugend, ins Reich geführt. Nun erst ist ganz erfüllt, was der Schulmann und Dichter, Ludwig Bauer, in Worte geformt:
'Aus Kampfes Nacht
stieg auf mit Macht
der Sonne gleich
das Deutsche Reich!'
Großdeutschland steht! Heil unserem großen Führer!
Nun eine Bitte zum Wahltag am 10. April 1938, zum Danktag des Deutschen Volkes: das kleine, nicht selten unscheinbare oder wenig geeignete Bild des Führers in der Schule soll einem schönen, würdigen Platz machen.“
Am Vorabend des Wahltages hatten die Nazis noch eine Steigerung des bisherigen sehr emotional geführten Wahlkampfs parat. Dazu gehörten Fackelzüge , der gemeinschaftliche Rundfunkempfang der Führerrede und das „Aufziehen des Großdeutschen Banners“. An diesem „Tag des Großdeutschen Reiches“ wollte man der Bevölkerung das Gefühl „einer großen Gemeinschaft anzugehören, die den größten und schönsten Gottesdienst aller Zeiten gestaltete“ (Lohrer Zeitung, 11. April 1938), vermitteln.
Titelseite der Lohrer Zeitung am 4. April 1938
Titelseite der Lohrer Zeitung am 4. April 1938
Titelseite der Lohrer Zeitung am 9. April 1938
Titelseite der Lohrer Zeitung am 9. April 1938
Am Wahltag selbst sorgten die NS-Parteiorganisationen dafür, dass jeder Bürger auch zur Wahl ging. Meist in geschlossenen Formationen traten die „Gefolgschaften“ der Betriebe und die Mitglieder von Vereinen den Weg zur Wahlurne an. Wer in einer Wahlkabine abstimmte, statt sein Kreuzchen öffentlich an der „richtigen“ Stelle zu machen, geriet schnell in den Verdacht, ein unwürdiges und undankbares Mitglied der nationalsozialistischen Gemeinschaft zu sein.
Die Rechnung der Nazis ging auf. Mit dem traumhaften Wahlergebnis im Rücken setzte Hitler seine aggressive Expansionspolitik fort. Ein neuer Weltkrieg zeichnete sich ab, der Deutschland in eine Ruinenlandschaft verwandelte und vielen Millionen Menschen den Tod brachte.
„Landesverräter und berufsmäßige Nörgler“ in Lohr a.Main?
„Landesverräter und berufsmäßige Nörgler“ in Lohr a.Main? Die Volksabstimmung vom 10. April 1938 über den Anschluss Österreichs war gekoppelt mit der Neuwahl eines Reichstags mit Einheitsliste. Wer für den Anschluss Österreichs stimmte, wählte automatisch Hitler. Erwünscht war die öffentliche Stimmabgabe. Die Benutzer von Wahlkabinen machten sich als „Volksverräter“ verdächtig. In der Nacht nach der Wahl wurden am Aloysianum in Lohr a.Main Fensterscheiben eingeworfen, und auf der Straße vor dem Gebäude stand in großen Buchstaben: „Wir haben mit Nein gestimmt!“
In der Nacht nach der Wahl wurden am Aloysianum in Lohr am Main Fensterscheiben eingeworfen, und auf der Straße vor dem Gebäude stand in großen Buchstaben:
„Wir haben mit Nein gestimmt!“
Es war wohl die Rache an den „Landesverätern und berufsmäßigen Nörglern“, die sich als „Kabinenwähler“ verdächtig gemacht hatten.
(Text: Bert Stenger, Zum Sommerhof 20, 97816 Lohr a.Main))
Ernst Huber
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